Ilse Aichinger beherrscht die Kunst, Literatur zu verfassen, die sich selbst zum Verschwinden bringt. In ihrer Poetik des Absurden verschlingen sich Wahrheit und Lüge, Melancholie und Witz, Trauer und Ironie, Lakonik und Übertreibung, sodaß man als Leser nie weiss, ob man lachen oder weinen soll. Virtuos wütet da oft eine Autorin gegen ihre eigene Kunst, desavouiert ihr Schreiben und zerredet ihre Sprachlosigkeit. Ein Ausschnitt aus einem Gespräch mit Brita Steinwendtner mag dies belegen:
„Schweigen ist ein wichtiger Teil von diesem Beruf?“
„Das Wort mag ich nicht, und ich verstehe nicht, warum es immer auf mich angewendet wird. Ich habe ja auch einmal gesagt: Schreiben ist Sterben lernen. Sich hineinbegeben, nicht von sich sprechen. Das empfinde ich manchmal als eine Tarnkappe, die mich verbirgt. Ich möchte um alles in der Welt nichts, das mich darstellt oder ins Licht bringt. Ich will eher etwas, das mich verbirgt und eben doch das enthält, was mir wesentlich ist, nicht das »Ich«, sondern das, was mir wesentlich ist. So habe ich einmal am Bahnhof Fotos machen lassen für einen Pass und nach zwei Stunden habe ich sie aus der Tasche gezogen, da waren sie weg. Das hat mir eigentlich sehr gefallen. Diese Art von Fotos hätte ich wirklich ganz gern.“
Es muss gar nichts bleiben, mit Audio-CD
Interviews 1952-2005
Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Simone Fässler
Verlag: Edition Korrespondenzen 2011