Fischers freundliches Familienfest
„Bist du dann auch so eine, die sich, wenn sie plötzlich jemanden sieht, der wichtiger ist, mitten im Gespräch einfach umdreht und geht?“, fragte mich eine alte Freundin, sie ist Familienmitglied bei Fischers, als ich ihr sagte, dass ich kommen würde.
Es sind geladene Gäste, ausschließlich, Verlagsmenschen, AutorInnen, die Kulturdezernentin, Medienleute strömen hierher, sagt man. Eine exaltierte Familienfeier, ein inniges „who-is-who“, sagt man.
Vor dem Eingang hat der Verlag einen „Counter“ hingestellt, klein, weiß, ein bisschen wie ein Kiesel, eine Einladung zum Understatement. Die kleine Gruppe vor mir ist jung und ein wenig nervös, „ich habe sehr lange auf dieses Ticket gewartet“, sagt der junge Mann, das ist seine Pforte des Glücks, denke ich, hier geladen zu sein ist ein Orden für ihn, denke ich, dann ist man im Club. Dann spricht er weiter, von irgendeinem Konzert und mit wem er hingeht, und wie gut, dass er noch diese Tickets dafür bekommen hat. Hoppla.
Ein langer Herr schiebt sich in meine Erwartungen und Vorurteile, tippt mich an, ein bekanntes Gesicht für die Branche, nehme ich an, nehme ich bei allen hier an. „Ist das der“, er überlegt kurz „Count?“. Er zeigt auf das kleine Häuschen, „und was ist das eigentlich, ein Count?“. Seine Stimme ist geübt, sie kennt sicherlich Mikrophone, ich nicke und zucke mit den Achseln, er freut sich, ein anderer Herr in Sakko hinter uns schaltet sich ein, „CountER“, so hieße das, das sei der „CountER“, er lacht, „heißt eigentlich Tresen auf Englisch, dabei müsste man meinen, Verlage seien präzise bei ihrer Begriffswahl“. Er zwinkert und wir lächeln zusammen dem Tresen entgegen. Ich bin entwaffnet und überrascht. Von der Freundlichkeit. Das ist doch eine geschlossene Veranstaltung, DIE geschlossene Veranstaltung einer ganzen Branche?
Ich habe mein Ticket, manche rauchen noch kurz, eine Autorin erklärt einer anderen, sie müsse unter den Kiefern schreiben, da sei die Inspiration, da qualme es ihr aus den Ohren heraus. Der Türsteher lächelt, eine andere ruft „same procedure as every year“, drängelt an mir vorbei, atmet ein, schüttelt sich die Arme aus, lässt sich den Vorhang vom Türsteher aufschieben und taucht ein.
Ich hinterher. Es ist ruhig. Wie unter Wasser. Die Stimme der Dame, die mir den Wein hinhält, ist dumpf und angenehm. Keine Musik, kein zu lautes Lachen, nur Stehen, nur Reden. Es ist Wärme.
Über den Blazern, Sakkos, Kleidern und Brillen ragen Blumenbouquets. Die Gesichter ruhen manchmal auf ihrem Gegenüber, manchmal suchen sie umher nach Bekannten. Sie lächeln fast alle.
Es gibt sie vereinzeln, die Prominenz, aber eine, die nur sich selbst erkennt. Keine Allüren von Autogrammsuchenden auf der Straße, „keine Schaulaufen wie bei Veranstaltungen im Schauspiel“, fügt eine aus dem inneren Circle hinzu. Ein kleiner Kreis fürs Gesehenwerden, ein kleines Intermezzo des Namedropping, spielerisch aber, und ein großes Wiedersehen. Hier und da ein „erinnern Sie sich an mich?“, und ein „ihr Roman war fantastisch“, ein „da ist ja Reinhold Messner“, und „seine Füße sind aber ziemlich klein“, ein „ich bin der und der vom ARD“, ein „hat Suhrkamp Sie abgeworben?“, ein „wollen Sie nicht auch einmal etwas für Erwachsene schreiben?“ und „hier, meine Karte“.
Ansonsten, tatsächlich, KollegInnen und Freunde. Wiedersehen und Häppchen. Freibier, Blumendekoration und schöne Menschen. Das Mekka der Branche genügt sich selbst, im besten Sinne, und freut sich, sehr ehrlich, am heutigen Abend.
Fixpoetry 2017
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Fixpoetry.com und der Urheber
Dieser Artikel ist ausschließlich für den privaten Gebrauch bestimmt. Sie dürfen den Artikel jedoch gerne verlinken. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Neuen Kommentar schreiben