Wie ein Lied Katy Perrys für einen misogynen Veranstaltungstitel herhalten musste – eine Rückschau
In der freien Literaturszene ist unlängst eine heftige Diskussion ausgebrochen. Grund: Die Lesereihe Hausdurchsuchungen lud auf Facebook zu einer Veranstaltung ein mit dem Titel „I fucked Ronja von Rönne and I didn't like it“.
Das muss man als Frau, zumal nach der wegweisenden Sexismus-an-Schreibschulen-Debatte im Sommer, erst einmal schlucken. Von harscher Kritik bis zu impulsiv-übereilten Initiativen, die das Melden der Veranstaltung implizierten und denen ich mich – zugegeben – zunächst auch angeschlossen hatte, hatte Hausdurchsuchungen vieles verursacht, bloß keine Lacher. Ein grundlegendes Problem wollten die Initiator*innen in ihrer ersten Stellungnahme unterdessen nicht erkennen, denn:
Liebe Menschen,
Ronja weiß Bescheid, wir kennen sie persönlich, und sie fand das ganze Zitat: "megafunny". Der Titel erschien uns in Anbetracht dieser Tatsache relativ harmlos. Dass wir damit jemandem auf die Füße treten, haben wir nicht gewollt.
Tatsächlich aber haben wir uns bei der gesamten Veranstaltung etwas gedacht und uns einen interessanten Abend einfallen lassen, der auch so manche Überraschung zu bieten hat. "Fucked" war zu viel, ist geändert. (Anmerkung der Autorin: Der letzte Satz wurde erst später hinzugefügt)
Liebe Grüße
Das Hausdurchsuchungsteam
Eine Replik, die von noch mehr Gedankenlosigkeit zeugt, als es die sexistische Abwandlung eines Katy-Perry-Songs bereits tut. Als würde es ausschließlich um Ronja von Rönne gehen und nicht auch um die Haltung gegenüber Frauen im Allgemeinen. Dass den Kritiker*innen Humorlosigkeit, Intoleranz, Beißreflexe, Sprechverbote und dergleichen mehr unterstellt werden, geschenkt. Doch wie sähe es zur Abwechslung mit einer sprachlichen Analyse aus, die die Problematik veranschaulicht? Probieren wir es aus.
Nehmen wir zunächst die Satzstellung unter die Lupe: Das Ich („I“) ist das Subjekt, Ronja von Rönne (die auch durch den Namen irgendeiner anderen Frau ersetzt werden könnte) das Objekt. Eine semantische Rollenverteilung ist geschaffen. Was tut dieses Ich? Es fickt RvR, statt mit ihr zu „ficken“. Es ist also keine Abbildung einer gemeinsamen, gleichberechtigten Handlung, sondern einer einseitigen Tat – ausgehend vom aktiven Ich –, die auf hierarchische Überlegenheit begründet und an dem passiven Objekt, also Ronja von Rönne (Frau), vollzogen wird. Die syntaktische Stellung wird durch die Wortwahl zusätzlich verschärft. Man schläft nicht mit Ronja von Rönne (der Frau) und findet das dann scheiße – was ebenfalls geschmacklos wäre, aber zumindest weniger extrem –, sondern fickt(!) sie. Ficken ist mit Triebhaftigkeit besetzt, und diese Triebhaftigkeit wird aus einer Machtposition heraus an – und nicht mit – einem objektifizierten Subjekt ausgelebt. Als ich den Titel das erste Mal gelesen habe, fühlte ich mich schlagartig an Rape Culture sowie an beängstigende/demütigende Erlebnisse sowohl aus meiner Vergangenheit als auch von Freund*innen erinnert.1 Und wenn man sich die Semantik des Satzes genauer anschaut, gibt die Formulierung den Zusammenhang zur Rape Culture auch tatsächlich her – völlig Pomade, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlich die Reproduktion eines solchen Kontextes nie von den Veranstalter*innen intendiert gewesen ist.
Diese ganze haarsträubende Angelegenheit – von dem Titelbild, für das die Pride-Fahne herhalten musste, will ich gar nicht erst anfangen – kulminiert schließlich noch in einer (negativen) Bewertung, die natürlich ebenfalls aus einer Position der Macht heraus getätigt wird. Versuchen wir doch mal, Ronja von Rönne durch einen männlichen Namen (meinetwegen Dennis Scheck) zu ersetzen; dann fällt auf, dass die Phrase nicht funktionieren würde. Und sie würde deshalb nicht funktionieren, weil Formen sexualisierter Entmachtung und Degradierung von Männern in keiner Kultur der Welt etabliert sind. Ronja von Rönne mag daher zwar diejenige sein, die benannt wird; doch sie erfüllt – ob sie oder irgendwer sonst will oder nicht – eine Stellvertreterposition für Frauen. Daraus folgt natürlich, dass jede*r als Teil einer oder mehrerer Gruppen Verantwortung trägt. Ob es nun die Initiator*innen einer Lesereihe sind, die sich, obwohl sie täglich mit Sprache arbeiten, sich deren Tragweite nicht bewusst zu sein scheinen, oder Ronja von Rönne, die an dem sexistischen Content – und sei es nur kraft ihres Namens – mitgewirkt hat.
Wer dies nicht verstehen will, möge sich analog dazu einen rassistischen Fall vorstellen, in dem für eine Veranstaltung mit dem Titel „Ich schicke Morgan Freeman Baumwolle pflücken und mag ihn nicht“ geworben wird. Niemand hätte einen Zweifel an den diskriminierenden Gehalt dieses Satzes. Warum allerdings wollen einige nicht erkennen, dass es sich mit „I fucked Ronja von Rönne and I didn't like it“ gleichermaßen verhält? Ganz einfach deshalb, weil Sexismus noch nicht verpönt genug, ja tief in uns verankert ist.
Da ändert es nichts dran, dass Hausdurchsuchungen und Ronja von Rönne es nicht so gemeint haben. Ob ich aus Versehen oder mit Vorsatz einen Ellbogen ins Gesicht gestoßen bekomme, macht in Bezug auf den physischen Schmerz, den ich daraufhin habe, schließlich auch keinen Unterschied. Die Verletzung ist da und kein vages Gefühl oder gar weibliche Spinnerei. Sie sollte daher nicht mit Kunstfreiheit schön-/ wegargumentiert, sondern anerkannt und ernst genommen werden. Bedauerlich insofern, dass Hausdurchsuchungen zwar den Titel ein wenig entschärft, doch weder inhaltlich Stellung bezogen, noch eine Entschuldigung ausgesprochen hat.
- 1. So oder so ähnlich dürfte es auch anderen Frauen gegangen sein, von denen manche aus dem Affekt heraus Beschwerde bei Facebook eingereicht haben
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Kommentare
I fucked / I fucked with
ich bin ganz auf Deiner Linie, auch ich finde den Veranstaltungstitel genauso daneben wie die Stellungnahme der HD. Deine semantische Analyse geht als Argument allerdings leider nicht wirklich auf. Das englische "I fucked X" kann man nicht mit einem "with" zu einer gemeinsamen Sache machen. Der Satz hätte dann eine ganz andere Bedeutung – "I fucked with X" heißt soviel wie "Ich hab mich mit X angelegt", nicht "Ich habe mit X geschlafen". Stünde da ein "with", könnte man also sogar darüber diskutieren, ob der Titel ein subtiler und eventuell nichtmal so unwitziger Kommentar der HD zu der ganzen Sexismusdebatte wäre – auf jeden Fall hätte sie durch solche Spielereien zumindest potentiell ein bisschen Witz- und Reflexionsvermögen beweisen können. Das englische "fuck" gibt da einiges her, das mit dem deutschen "ficken" überhaupt nichts mehr zu tun hat, z.B. auch "I fucked around with..." – "Ich habe herumgealbert/-gegammelt mit...". Also, in der Tat: Man hätte, wenn man sich schon zu einem bekloppten Veranstaltungstitel entschließt, zumindest ein "with" einfügen können – aber nicht zum Zweck der Nichtdegradierung in der Beschreibung eines sexuellen Aktes, sondern um etwas ganz anderes zu sagen. Das hätte dann zugleich die Möglichkeit eröffnet, mit den Aussagen/Konnotationen zu spielen und so implizit die Sexismus-Debatte zu kommentieren. Vielleicht hätte man das sogar tatsächlich recht intelligent machen können. Darüber hinaus kann man aber auch noch fragen: Warum hat sich die HD für das "I fucked" entschieden? Ebenso gut hätte es heißen können "RvR fucked me" – nicht, dass das viel besser, witziger oder intelligenter gewesen wäre, aber es hätte zumindest ein gängiges Narrativ umgedreht, anstatt es einfach nur zu reproduzieren. Das bloße Zitat eines allzubekannten Narrativs ist jedenfalls noch niemals nirgends witzig oder intelligent gewesen, und dass sich die HD nun anscheinend defensiv darauf zurückzieht, niemand hätte den Witz verstanden (=alle sind zu doof), spricht für sich.
Hallo Lilian! Danke für
Hallo Lilian! Danke für deinen Kommentar. Ich denke nicht, dass deshalb meine Semantikanalyse grundsätzlich falsch ist. Es wird ja schließlich keine wortwörtliche Übersetzung postuliert, sondern auf einen bestimmten Sinnzusammenhang (das Miteinander, die Aktivität auf Augenhöhe) hingewiesen, der im Deutschen z.B. durch die Präposition "mit", im Englischen mit der Wendung "to have a fuck with sb." oder sonst dergleichen hergestellt werden könnte.
Ich will also das "mit", das ich dem Passiv-Aktiv-Verhältnis gegenüberstelle, nicht eins zu eins mit "with" übersetzt wissen - tut ja auch gar nicht Not, nicht mal im Sinne meiner Analyse (; -, sondern als das verstanden, was er semantisch impliziert. Und ich bin mir sicher, dass es auch im Englischen möglich wäre, eine Handlung durch eine entsprechende Präposition, Syntax, Wendung, whatever als ebenbürtig abzubilden, statt als hierarchisch, wie es das "I fucked X" in erster Linie tut.
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