Kolumne

Welt in Kunst in Kunst in Welt

Poesie im Pinselstrich - wenn Bilder mehr als Worte sagen

Oftmals wird ein Gemälde nur kurz im Vorbeigehen gemustert. Man lässt sich von den Farben stimulieren, gewinnt einen schnellen Eindruck von Motiv und Gestaltungsweise; es gefällt oder eben nicht.

Bei Sebastian Unterrainers Bildern muss man stehenbleiben. Nicht nur, weil sie durch die unterschiedlichen Farbkompositionen und Stilrichtungen einen sehr eigenen Sog ausstrahlen; teils grotesk, gar kafkaesk. Auch, weil sich im Großen stets etwas Kleines verbirgt, das sich erst auf den zweiten Blick zeigt. So besteht ein riesiger Wal bei genauerem Hinsehen aus unzähligen menschlichen Figuren. Der vermeintlich hintergründige Schatten an der Wand ist das eigentlich Wichtige am Werk. Ein ganz normales Portrait wird beim Näherkommen zu einer Sammlung von tausenden kleinen Punkten. Keines der Bilder ist mit Flüchtigkeit einzufangen; jedes verlangt nach einer intensiven Betrachtung.

Sebastian Unterrainer spielt zudem mit verschiedenen Techniken und Materialien. Steht man zunächst vor einem Ölgemälde auf Leinwand, ist daneben plötzlich eine mit Acryl bemalte Schallplatten-Variation. Um danach vor gigerhaften Skizzen auf Papier zu landen. Immer anwesend ist die (manchmal gar unerklärliche) bedrohliche Ausstrahlung, die in Kombination mit Melancholie, Motiv und geschickter Farbgebung zu einem lyrischen Austausch - im Bild selbst sowie zwischen Künstler und Betrachter - wird. Wichtig dabei: So sehr sich die Darstellungen unterscheiden, ist doch immer die Handschrift des Malers erkennbar.

Als Sohn eines Künstlers (Jörg Baltes) wuchs der 36-Jährige mit einem Stift in der Hand auf. Ein Leben ohne Nase auf Papier kennt er nicht. Was wiederum deutlich wird, wenn man sich Technik und Phantasie-Reichtum ansieht. Jeder noch so kleine Strich hat seine Berechtigung, ja seine unbedingte Notwendigkeit, genau dort zu sein. Würde er fehlen, verlöre die mit ihm erst vervollständigte Geschichte an Bedeutung. Man hat den Eindruck, ein beinahe manischer Perfektionismus verbirgt sich in der Malerseele, so exakt ist jeder Punkt gesetzt. Der Freiheit seiner Kunst schadet dieser jedoch nicht - im Gegenteil. Es unterstreicht lediglich den Ausdruck von seiner tiefen Leidenschaft für jedes seiner Werke.

Sebastian will, dass hingesehen, dass zugehört und nachgedacht wird. Denn bei allem Phantastischen, allem Absurden und teils ins Abstrakte gleitende, steckt auch immer eine Aussage dahinter. Mal ist es eine Gesellschaftskritik, mal eine Mahnung, mit der Natur respektvoller umzugehen. Zuweilen verweist er auf die fortschreitende Handy- und allgemeine Techniksucht vom Menschen oder den Verlust von Kreativität durch zu viel Ablenkung. Manchmal sind diese Botschaften so deutlich (nicht nur in Motiv und Darstellung, sondern auch in Lautstärke und Sprachgewalt), dass sie einem mit voller Wucht in den Magen schlagen. Bei anderen flüstern sie nur leise ins Ohr, schleichen sich langsam und fast unbemerkt ins eigene Bewusstsein.

(c) Sebastian Unterrainer

Hier wird erfolgreich eine Kombination geschaffen, die man selten sieht: Schönheit in der abwechslungsreichen Kunst, Talent und Bedeutungsschwere.

Jeder sollte sich einmal in die Welt von Sebastian Unterrainer entführen zu lassen. Um danach vielleicht ein wenig verändert, ein bisschen durchgeschüttelt, grübelnd und angeregt wieder hinaus zu treten. Oder einfach drin zu bleiben.

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