Pattern Language
Seit sie 1978 zur Welt kam, stellt sie die Welt auf die Probe . Das Buch mit dem Namen Pattern Language spaltet bis heute die Architekten (denn es macht ihr Berufsbild überflüssig). Nie aber hat es den Rest der Welt gespalten, bis heute nicht. Im Gegenteil, in den Mehrheitsgebieten: artfremden (eigentlich nicht unfremden) Feldern Software-Entwicklung, Programmierung, Kybernetik im weitesten Sinne, Mathematik, Philosophie und auch Öko-Bewegung hat sie gesiegt, diese Mustersprache ist nichts weniger als eine erfolgreiche Systemtheorie/-praxis – die zum Zeitpunkt ihrer Entstehung, um es mit Hegel zu sagen, sich ihrer selbst noch nichts ganz bewusst gewesen ist. Sie geht nämlich vordergründig um Architektur, aber zeigt, aus einer strukturalistischen Perspektive gesehen (vlg. z.B. Barthes' Modell einer astreinen Methodikvorführung Die Sprache der Mode), die grundsätzlichen Möglichkeiten einer Problemsteuerung anhand von Sprache auf. Nur dass die Probleme in diesem Buch zufällig die Architektur betreffen.
Geschrieben hat es Christopher Alexander mit einem Berkeley-Team über einen Zeitraum von Jahrzehnten. Und wenn Alexander selbst – man muss es einfach zugeben – nicht einer der bizarrsten großen Architekten seiner Zeit gewesen wäre (aufgrund übereinstimmender Ultra-Konservatismen der Lieblingsarchitekt von Prince Charles), und etwas mehr Bewusstsein für seine Entdeckung gehabt hätte (und außerdem Wahrnehmungsschulung zugunsten Ideologiebrille), sie nüchterner präsentiert, wäre sein Ruf und der seines Buchs sicher nicht derart ambivalent.
Das Besondere seiner Methodik ist das Finden eines schöpferischen Metagerüsts, einer Sprache, die in einem selbstreferentiellen Sinne sich vernetzt (s. Rhizom) zum Zweck, Probleme und Problemkomplexe jedweder Größenordnung durch Zerlegung in Einzelaufgaben modular zu lösen. Das ist Computerfunktionsweise seit Aufkommen der Kybernetik und nicht unwesentlich von Alexander beeinflusst. Auf seinem Gebiet der Architektur zeigt das Sammeln von Erfahrungswerten (wiederkehrende Probleme schaffen wiederkehrende Lösungen) denselben Effekt. Um dies zu beweisen, hat der immens starke Theoretiker Alexander u.a. in den 80ern den sehr anspruchsvollen Schulcampus Eishin in Japan erbaut, der nun in einer exzellent gestalteten Publikation fotografisch und sprachlich von verschiedenen Seiten einer Revision unterzogen wird. Unter anderem mit Haikus von Ferdinand Schmatz.
Park Books - Buchkunst auf hohem Niveau, und so unterschiedlich die Beiträge sind, so absolut spannend sind besonders für Nicht-Architekten die Stellen, an denen der Vergleich zwischen Sprachproduktionen und -kompositionen gezogen wird, z. B. Lyrik vs Architektur, wobei versus eher meint parallel. Alexander mag etwas fragwürdige Architektur produziert haben, doch seine Herangehensweise ist universalgenial und mutig und basiert, abgesehen vom Esoterikverdacht, den auch er zu leugnen nicht imstande ist, auf Sprache. Genialer Sprache. Ineffizienter Sprache. Das Schlüsselwort ist Lebendigkeit. Patterns aus besagtem Buch Pattern Language lauten beispielsweise:
Unabhängige Regionen
Mosaik aus Subkulturen
Ruhige Hinterseiten
Tanzen auf der Straße
Geheiligter Boden
Tiere
Sitzstufen
Zwei-Meter-Balkon
Erst lose, dann starr
Dinge aus deinem eigenen Leben
und formulieren Gestaltungsmusterlösungen wie gesagt. Die durch Partizipation hunderter beteiligter Eishin Campus Nutzer entstandene Eishin Pattern Language besteht ebenfalls aus hunderten Einträgen, die zu sammeln extremen Interviewaufwand bedeutet hat, und die direkte Sprachwerke zwischen Unbewusst/ Bewusst der involvierten Menschen sind. Ein aufregendes Pattern lautet z.B. (von Hisae Hosoi, dem Bauherren):
Es gibt auch einen Garten, der so geheim ist, dass er auf keinem Plan erscheint. Die Wichtigkeit dieses Patterns besteht darin, dass es niemals öffentlich verlautbart wird, auch nicht auf dem Lageplan des Campus; bis auf wenige soll niemand imstande sein, es zu finden.
Das Buch geht kritisch mit dem über allem schwebenden Polemiker Christopher Alexander um, schafft es aber spielend, dessen fabulösen Ansatz anregend und überzeugend in Text und Bild zu projizieren. Mit Geschmacksfragen hat das nicht mehr viel zu tun, es geht um grundsätzliche Kulturarbeit, Körpertechnik, Sprachanwendung. Äußerstmögliche Forschungsempfehlung.
© living neighbourhoods
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