Anzeige
Das Meer und der Norden     Streifzüge von Küste zu Küste     von Charlotte Ueckert
x
Das Meer und der Norden     Streifzüge von Küste zu Küste     von Charlotte Ueckert
Kritik

Gegrillte Frösche und jubelnde Blondinen

Hamburg

Hoffmann und Campe verwöhnt die Leserschaft dieser Tage mit einem gediegenen Band in blassgrünem Leinen, der Tintenfarbe Matthias Polityckis, wenn er seine Gedichte handschriftlich zu Papier bringt. So etwas erhält man in der heutigen Verlagslandschaft von seinem Stammhaus nur dann geschenkt, wenn man als AutorIn nicht nur große, sondern vor allem auch erfolgreiche Romane vorgelegt hat, und das hat Politycki bekanntlich. Dreißig Jahre seines lyrischen Outputs, rückwärts von 2017 bis zu den Anfängen 1987 abgedruckt, sind in diesem Buch vereinigt. Die neuesten Texte sind ausnahmslos sogar Erstveröffentlichungen. Polityckis Gedichte zeichnen sich durch einen oft schnoddrigen Sound aus, durch jene thematische und stilistische Geschmeidigkeit, die souverän durch alle gesellschaftlichen und geistigen Lebensbereiche pflügt mit einem Lächeln in der Gesäßtasche, der berühmten Träne im Knopfloch und sich und uns für alle Fälle eine Extraportion Coolness ins Haar kämmt. Lose Lachlust und Trauer, Innensicht und Welterfahrenheit, Grandezza und Satire liegen bei ihm dicht beieinander. Das alles verbindet er mit einer überaus gesuchten und fein arrangierten Formensprache, die sich des Sonetts, des romantischen Liedes, aber auch mit dem jeweiligen Text korrespondierender freier Strukturen bedient, um seine Wirkung zu entfalten. Und die stellt sich fast immer publikumswirksam ein, ob er nun von gegrillten Fröschen, von Maßnahmen gegen den Frühling, jubelnden Blondinen oder drei Einbaumfahrern im Okavango-Delta schreibt. Da schwingen Benn mit und Rühmkorf, mitunter morgensternt es gewaltig, und doch hat sich Politycki im Lauf der Jahrzehnte seinen ureigenen Ton elaboriert, der sich vor allem in den neueren Gedichten durchaus auch bitterernste Verse erlaubt. Ein Band, in dem schonungslos auch Starkes neben nicht ganz so Starkem steht, wie das mit „Sämtliche[n] Gedichte[n]“ nun einmal so ist. Eine bedenkenswerte Sammlung auch für diejenigen unter Matthias Polityckis Leserschaft, die ihn über die Zeit vor allem durch seine Prosa kennen und schätzen gelernt haben.

 

Matthias Politycki
Sämtliche Gedichte / 2017-1987
Hoffmann und Campe
2018 · 640 Seiten · 32,00 Euro
ISBN:
978-3-455-40623-8

Fixpoetry 2018
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Fixpoetry.com und der Urheber
Dieser Artikel ist ausschließlich für den privaten Gebrauch bestimmt. Sie dürfen den Artikel jedoch gerne verlinken. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Letzte Feuilleton-Beiträge