Ich will auch Versuchsperson sein, sagte sie
Anders als die staunenswerten Stories aus Good Home ist das neue Buch von T.C. Boyle mit dem leicht überzogenen Titel Das Licht keine Discokugel. Obwohl Boyle in sein Lieblingsterritorium der ausgefreakten Kommune mit Drogen, Zeitgeist etc. tritt, schafft/ will er nicht, was das aufdringliche Op Art Cover verspricht, ein Schwindel erzeugendes Lesen voller Grenzüberschreitungen, ratternder Mosaiken oder geflügelter Bäume anzufüttern.
Anscheinend war das nie Plan, stattdessen wird auf eine eigentümlich verhaltene, unterdrückte Weise das anfängliche Umsichgreifen des Kults um Timothy Learys LSD Empfehlungen anhand zwei, drei (blasser) ProtagonistInnen, die Leary in seine unterschiedlichen Kommuneninkarnationen folgen und ihr (junges) Leben aufgeben/ hinter sich lassen, nacherzählt. Ohne packende Konflikte oder überraschend wechselnde Sichten auf das gewiss nicht langweilige Thema, die Boyles Prosa sonst auszeichnet. Tatsächlich blendet an genau der Stelle, wo zumindest Learys Leben interessant wird, und sich aus dem ex-Harvardianer ein für den Rest seines Lebens auf der Flucht befindlicher Promiguru wird, der Roman aus.
Dass in den unterschiedlichen Kommunen unterschiedliche Leute aus unterschiedlichen Gründen auftauchen und nicht mehr gehen wollen, bleibt in der übergeordneten Stationsnacherzählung hängen. Schade, denn auch dies ist eigentlich Boyles Spezialgebiet. Aus dem Roman ist eher eine creative-non fiction geworden, die sich nicht traut, Leary stärker auf die Spur zu kommen, außer dass der Charismatiker lächelt, predigt, das Sakrament ausgibt und scheinbar immer etwas mehr weiß, als seine highen Versuchsschäfchen. Ein interessanter Aspekt jedenfalls ist, dass bei allem Bewusstseinserheiternden, das man eigentlich erwarten könnte, das Buch eine fast durchgehende Trauer umfasst hält. Wie ein Kontrast zu den satirischen Sprüngen, in die sich der Autor sonst zu stürzen pflegt, erliegen die Menschen dem Acid und scheinen außer "deepen" Erfahrungen und Sex auf jeder Seite mehr an Humor und Bindungsfähigkeit zu verlieren. Wie Abbilder von Mandala zeichnenden Strichmännchen porträtiert sie Boyle als melancholische Fotostaffage, "sie war auch dabei", "was ist jetzt aus ihnen geworden?".
An sich eine kritische Einstellung zu seinem Stoff scheints, doch der mangelnde Fokus des Romans und seine vordergründige Handwerklichkeit, natürlich sind die Dialoge scharf und die Sprache perfekt, machen aus diesem vielversprechenden Projekt eine Nebelkerze. Wer einmal den Electric Kool-Aid Acid Test gelesen hat, weiß, dass auch seitenlanger Quatsch kritisch und erbaulich sein kann. Boyles Trip ist an der Kette, und er bleibt die kompositorische Begründung dafür schuldig.
"Joanie", sagte er, beugte sich zu ihr und legte ihr die Hand an ihr Ohr, damit sie ihn trotz der Musik verstehen konnte, "ich weiß, wann ich auf verlorenem Posten stehe – komm wir überlassen das Feld diesen Beatles."
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