Der Kommissar und die schöne Tote
Peer ist ein bisschen schwermütig und ein bisschen verliebt und ein bisschen müde. Schwermütig sowieso. Verliebt in Antonia. Und müde wegen der Medikamente. Peer ist ein schwerkranker Kommissar, er ermittelt wegen eines rätselhaften Todesfalls – und die Tote ist Antonia. Weil sie tot ist, ist Peer nur ein bisschen in sie verliebt, außerdem gibt es da ja noch Nilka, die Internetcafébekanntschaft, und die ist lebendig. Und schließlich hat Peer so viele Ungereimtheiten zu klären, dass er gar keine rechte Zeit für Gefühle hat.
Christine Kappe, 1970 geborene hannoversche Autorin, die auf dem Buchmarkt 2013 mit ihrem glänzenden Lyrikband »Wie kann das sein« debütiert hat, hat mit der Geschichte von Peer und der schönen toten Antonia ihren ersten Roman vorgelegt: »Rahling«. Das Wort gibt es eigentlich nicht, und genau darum geht es in dem Buch – unter anderem. Außerdem geht es um verkorkste Beziehungen und Alkoholismus und Briefeaustragen und Eifersucht und Autobahnraser. Um seelische Abhängigkeit und Familienbande und Lieblosigkeit und WG-Mitbewohner-Desinteresse und Lebensüberdruß.
Und um Hannover. Denn der Roman ist – auch – ein Hannover-Krimi. Die Autorin kennt ihre Stadt. Und mag sie offenbar.
Aber man darf von Christine Kappe keinen gewöhnlichen Krimi erwarten. Das Buch bietet keinen gewöhnlichen Kriminalfall und keinen gewöhnlichen Kommissar und keinen gewöhnlichen Plot. Es ist ironisch und witzig und verzweifelt und wüst und trashig und poetisch. Es paßt in keine Schublade. Im Grunde erzählt es nicht mal eine Geschichte von A nach B, sondern es reißt viele verschiedene Geschichten an und läßt manche davon wieder fallen, ratscht bei einigen nur an der Oberfläche und geht bei anderen in die Tiefe.
Bei allem Verständnis für wagemutige Schreibweisen: In manchen Passagen wirkt der Text nicht wild, sondern schlicht zu wenig ausgearbeitet. Lyriker, die Prosa schreiben, machen mitunter den Fehler, alles, was nicht Gedicht ist, nicht ganz ernst zu nehmen. Vielleicht ist das ja auch Christine Kappe passiert. Und das trifft dann weniger die Autorin als den Verlag, dessen Lektorat mit der Verfasserin darüber hätte reden müssen. Aber da scheint es an der Sorgfalt gefehlt zu haben, und der Verlag macht leider auch sonst nicht den Eindruck, dass er sein Geschäft besonders ernst nehmen würde, denn der Roman hat definitiv kein gründliches Korrektorat gesehen. Die Fülle der Rechtschreibfehler ist enervierend, hinzu kommt eine Formatierungspanne, die aus jedem Apostroph vor einem Wort oder Buchstaben – »Eigentlich hätten wir lieber ’n Mann gehabt« – ein Komma macht: »Eigentlich hätten wir lieber ‚n Mann gehabt«. Und das durchgängig im gesamtem Buch. Das darf einem Verlag nicht durchgehen.
Aber es ist ja erst der erste Roman von Christine Kappe. Und sie ist nach wie vor eine vielversprechende Autorin.
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