La poésie ne s’impose plus, elle s’expose
Giorgio Agamben ist einer der einflußreichsten und in der Tat interessantesten Denker der Gegenwart – neben größeren Studien wie jener zum homo sacer gibt es von ihm auch Essays, die knapp ahnen lassen, was Denken ist; und was zu denken ist und wäre. Eine Sammlung ist der 2013 erschienene Band Die Macht des Denkens, hier rezensiert, freilich sehr re-, sehr verspätet.
Thematisch ist der Band dabei geordnet, aber die Ordnung bricht auseinander, auf jeder Seite, weil Agamben sich und sein Denken unternimmt, kein Programm, keine Methode exekutiert. Das Denken ist, was der Sache selbst sich widmet: „to pragma auto”, dekonstruktiv, Derrida ist der erste Aufsatz zurecht gewidmet. Und nur im Denken, „nur in und durch Sprache”, nur hier ist doch, was nach einer Methode verlangt und sie „transzendiert” – das, was ihr Gegenstand ist, aber keiner der „Lerngegenstände”.
Dies ist die Stärke der „»Schwäche« des logos”, der Agamben nachgeht. Es ist der „poetische[n] Auftrag”, der nicht allein das Genre der Poesie antreibt, der im Denken selbst wiederentdeckt werden soll: „Aufgabe der kommenden Philosophie.”
Und das tut Agamben in der Folge für das mystische gramma, programmatisch. Nicht im Sinne metasprachlicher Arrangements, sondern als Konkretisierung des Nichts, das diese nur befände, als „letzten Schleier [...] der Sprache.” Nicht also in der Feststellung, daß die Fliege eben im Glas sei, immer, fertig, so Agamben mit Wittgenstein.
Es geht ums Schreiben, ums Sehen des Geschrieben-Seins, „Geschichte [...] an Stelle der Namen.” In dieses „unendliche[s] Sagen-wollen” führt Agamben ein, analytisch und darin Hoffnung formulierend. Es ist die, zu kennen, was der Name vielleicht schon „gekannt” hat, diese Aussetzung zu sehen, dieses Sich-Aussetzen, worin zugleich die Exekutionen ausgesetzt sind, die Poesie „ne s’impose plus, elle s’expose”, wie Agamben mit Celan sagt. Am Ende: „kein Begriff”, „kein Name” ... oder sie anders ... oder kein Ende.
Ein beeindruckender Band, darum das Nachholen der Rezension: von etwas, das noch immer und vielleicht immer-und-immer zukünftig ist.
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