Reime aus dem Rückgrat
Judith Holofernes, Frontfrau der ins Pralaya abgesenkten Band Wir sind Helden hat eine Sammlung Tiergedichte erstellt. Stimmt das? Sie hat auf ihrem Blog ‚losgejandelt’, wie sie es nennt, karikiert, persifliert, sich am Spottgesang eher hässlicher Tiere erfreut und die Freiheit vom Liedertexter-Dasein genossen.
Das Elend am Dasein der Illustratoren: dass Bücher nun mal solche autorenlastigen Beschreibungen bekommen. Andererseits wird das Buch zweifellos gut laufen, dank der Popularität der Autorin und ihrem geschickten Marketing auf dem Authentizitäts-Ticket - einige ihrer Kunststücke waren auf der Buchmesse zu bestaunen - und ich vermute, das Buch wird Jan Wagners Erfolgszahlen in die Tonne, ach, in den Schatten der Tonne treten. Insofern wird die Illustratorin mit dem Deal gut leben können.
Richtiger wäre aber die Einleitung gewesen: Vanessa Karré hat eine Serie von Tierbildern zu Reimen von Judith Holofernes vorgelegt.
Denn diese Bilder sind stark, liebevoll wie für ein Kinderbuch, eine Besonderheit für einen Gedichtband. Phantasievoll, mal grell, mal dezent geprickelt, vielfältige Techniken – Collagen, dann wieder Aquarelle über Bleistift-Zeichnungen, der Erdferkelinfant könnte eine Radierung sein. Ein Buch zum Gucken. Zwar wird ausdrücklich die klassische Tierillustration referenziert, all die Tiere sind wiedererkennbar, wo Reh draufsteht, da ist auch Reh drin, die Proportionen stimmig, sogar wenn sich, wie im Labradoodle die Gattungen vermischen – doch das schmälert den Reiz nicht. Öfter als bei den Gedichten zeigt ein zweiter Blick Qualitäten, die dem bloß illustrativen / erzählerischen in den Rücken fallen.
Die Texte sind bürgerliche Albernheiten, oft am Namen oder gestischen Besonderheiten über den Reim als Seim für die Brücke über die Lücke ins - nu hoffen wa mal - Witzige gedreht. „Ach Kakadu / du Kacker, du / Ach komm / jetzt mach den Schnabel zu / Bin ich die Erste / die das sagt?“, oder „Wer dem Ozelot / auf die Pfote trott /tot das nicht bald wieder“, „Ren, Tier, ren so schnell du kannst!“ oder „Haben Oktopoden Hoden?“ Angereichert wurde das Material durch Auszüge aus ‚Helden’-Liedern, nicht nur wenn die mit Tieren zu tun hatten, sondern auch, wenn das Material in anderem Kontext und metaphorisch eingesetzt war. Um es auf die ausgewählten 34 Texte zu bringen.
Holofernes packt das Dichten – sie nennt als Vorbilder Gernhardt und Morgenstern - an den Eiern, pardon, sagen wir: frontal, z.B. im ‚Wiesel’:
(...)
Wiesel, wusel doch wanders!
Nimm zum Beispiel nebenan das
Auto von den Nachbarn
die haben sogar Krach gernDie Nachbarin ist taub
der Nachbar gerne schraubt
drum friss auch deren Kabel lieber
Ich geb dir ne Gabel rüber
Nun ja, Gedichte dürfen wehtun – und der Minimal-Ertrag der Kreativität bleibt selten aus, wenn der Verstand beim Schreiben zunächst mal in die Hütte gesperrt war. Manchmal tauchen Fabel-artige Elemente auf, das ist im Genre geschuldet, gelegentlich deutet sich eine weich verpackte Gesellschaftskritik an, im ‚Sekretär’ etwa (das Tier, nicht der IM) oder im Text über den großäugigen Maki-Affen: „In welchen Abgrund / blickt das Tier? / Warum guckt der so / und nicht wir?“
Methodisch bleibt Holofernes sich fast durchgängig treu: gnadenloses jagen der wehrlosen Tierworte über die Zäune von Reim und Metrik:
Qualle
Qualle, olle
hast nicht alle
Machst im Urlaub
uns noch malle
hier auf Malle
Olle Qualle
Schwabbelst voll, ey!
Nicht so toll, ey!
Schmerzt voll dolle
Voll die Qual, ey
Qualle, olle
voll der Proll, eyNachgedanke:
Wenn man pieselt
auf die Stelle
geht der Schmerz -
auf alle Fälle
aber auch die
olle Schnalle
die man vielleicht
knallen wollt
ey
Das Werk, mit dem sich Judith Holofernes nun Lyrikerin nennen darf, hat seine Reize, wer Reim und Wortspiele mag, kann schwelgen und der Rest sich auf jeden Fall an den Bildern und diversen phantastischen (gegoogelten) Wortgetümen des Tierreichs freuen. Wer mit Ansprüchen käme jenseits von allem, was einige Gläschen Aperol-Spritz schöner machen, der dürfte vom Heldenfrauen-Freundeskreis vermutlich mit dem stummen Zeigefinger-Verweis auf den alles sagenden Titel tiefseestumm gemacht werden.
Fixpoetry 2015
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Fixpoetry.com und der Urheber
Dieser Artikel ist ausschließlich für den privaten Gebrauch bestimmt. Sie dürfen den Artikel jedoch gerne verlinken. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Neuen Kommentar schreiben