Philologische Fantasy
Jürgen Buchmanns nicht ganz so glaubwürdiger Wahrhaftiger Bericht über die Sprache der Elfen
Es ist ein metasprachliches Possenspiel, viel älter als die Postmoderne: Die Mär vom gefundenen Manuskript, das von wunderbaren Begebenheiten Zeugnis ablegt. Solche Geschichten wurden und werden gerne verwendet, um Kippspiele zu schaffen, unser Verhältnis zur Welt über den Umweg der Sprache auf die Probe zu stellen. Heutzutage scheinen solche skeptizistischen Spielereien noch viel notwendiger, sitzen wir doch angesichts veränderter Informationsorganisationen viel zu häufig Täuschungen auf. Wer nicht mit wachem Verstand durch die Welt der Zeichen reist, dessen Sicht darauf kann schnell getrübt werden. Welchen Medienberichten können wir noch Glauben schenken? Wenn es zu jeder Studie ein entsprechendes Gegenstück gibt, in welcher finden wir nun die Wahrheit?
Jürgen Buchmann inszeniert sich als Herausgeber eines kurzen Büchleins mit dem langen Titel Wahrhafftiger Bericht über die Sprache der Elfen des ExterThals, nach denen Diariis Seiner Hoch Ehrwürden Herren Martinus Oestermann, weiland Pfarrer an St. Jakobi zu Almena. Er wird es wohl selbst geschrieben haben, seine Fußnoten – in denen zum Beispiel das Wiener Periodikum RISSE. Zeitschrift zur Psychoanalyse zitiert wird, obwohl es eigentlich RISS heißt – setzen kleine Verwirrmarken. Der Plot ist schnell erzählt: Herr Martinus Oestermann, so können wir seinem Tagebuch und Briefwechseln entnehmen, wird von einer »Zigeunerin« auf eine Waldlichtung gelotst und trifft auf Elfen, die er beobachtet und deren Sprache der gebildete Gottesmann minutiös analysiert, bis er in eben jenem Wald tot aufgefunden wird. Ein kleines Stück philologischer Fantasy, ein Flickenteppich aus erfundenen Dokumenten, die von der Seite her nach klischeehaften psychoanalytischen Formeln ins Reich der Psychose verortet wird.
Buchmann, der Autor mit dem sprechenden Namen, schafft einen privaten westfälischen Mythos, der sich in den spöttischen Anschein von historischer Faktizität kleidet. Tatsächlich ist sein Wahrhafftiger Bericht über die Sprache der Elfen des ExterThals eine gelungene Etüde in dem, was was Phantastik wie Fantasy im Kern ausmacht: Die Schaffung einer anderen Welt durch Sprache. Er lässt sich aber ebenso als Kritik an einem wissenschaftlichen Zweig lesen, der sich aus ein paar Wörtern nur allzu gerne eine Geschichte zusammenreimt. Oder aber eben als unterhaltsamer und doch zynischer Versuch, die Grenzen zwischen Fakt und Fiktion einzureißen, um unsere Wahrnehmungsgewohnheiten auf den Prüfstand zu stellen. Denn, wer weiß: Vielleicht gab es ihn ja wahrhaftig, diesen Pfarrer des 17. Jahrhunderts, der glaubte, mitten im Wald auf wunderbare Wesen gestoßen zu sein und eines mysteriösen Todes starb.
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