Prolog mit Perspektive
Was macht eine Autorin, die bisher Lyrik geschrieben hat und glaubt, ihr fehle für die Prosa „jeglicher Atem“? Was macht sie also, wenn sie trotz dieser Voraussetzungen von einer „Mittlerin“, sprich einer Agentin, bedrängt wird? Sie solle einen Roman schreiben, weil sie dazu das Talent habe und ihr (vielleicht) als Lockmittel gesagt wird: „Das mit dem Lyrikband kommt schon noch, wenn Sie erst debütiert haben“, wobei die Mittlerin meint: „mit Prosa debütiert haben“.
In dieser Zwickmühle befindet sich die Ich-Erzählerin Julia Trompeters und da sie sich von Beginn an darüber klar zu sein scheint, dass sie keinesfalls den Wunsch der Mittlerin erfüllen würde, nennt sie die folgenden zweihundertacht Seiten einen Prolog.
Und in der Tat wäre der Monolog der Verlagsfrau, mit dem das Buch einsetzt, Grund genug eine junge Autorin abzuschrecken, jegliches literarische Projekt auch nur in Erwägung zu ziehen. Denn diese Verlagsfrau führt auf, was man als erfolgreiche Autorin schreiben sollte und wovon man besser die Finger lassen sollte. Vor allem: „Sperren sie beim Schreiben den Bernhard in den Giftschrank.“ Nun ist es aber ausgerechnet die Literatur von Thomas Bernhard, auf die sich die Ich-Erzählerin, neben der Poetik von Aristoteles, immer wieder bezieht und dessen literarische Figuren immer wieder auftauchen.
Vor diesem literarischen und philosophischen Hintergrund verfolgen wir die Begegnungen mit der Mittlerin. Die Zusammenkünfte sind sehr anschaulich und gleichsam unterhaltend beschrieben. Denn eigentlich hat die Mittlerin ihre zukünftige Autorin bald am Angelhaken. Diese sagt zwar Sätze wie „Da steige ich aus“ und „Mit dem Roman wird das leider nichts“, aber kaum hat sie sich von der Mittlerin getrennt, ruft sie sie wieder an, um sich erneut zu verabreden. Sie ruft sie nicht nur an, nein, sie begibt sich auch allein zu den Orten, die sie zusammen besucht haben. Mehr noch: „An dieser Spülmaschine jedenfalls klebte vielleicht noch die Spur des Sherrys der Mittlerin, und das machte sie sogleich zu einem Fetisch“.
Dazwischen lässt Julia Trompeter ihre wahrscheinlich teilweise autobiografisch angelegte Protagonistin, in langen Sätzen und mit langem Atem sehr witzig über alle Details ihres des momentanen Lebens berichten. „Nun also saß ich wieder da, wo ich immer gesessen hatte, also zwischen allen Stühlen oder auf jedem nur ein bisschen, mit halbem Arsch Philosophin, mit halbem Onlineredakteurin und, wenn ich noch mehr Hälften hätte, warum eigentlich nicht, mit der dritten Hälfte Teilzeitbrotfachverkäuferin.“ Sie erzählt von einer alten Liebe sowie einer kurzen (misslungenen) Affäre, um in diesem Zusammenhang sowohl über die Verlagsfrau („sex sells“) als auch über den Begriff Romantik nachzudenken. „Was hatte ich also aus dem Ausflug in die Welt der Romantik gelernt, so könnte man sich fragen, und ich hätte auch mal eine Frage, nämlich die , ob der Begriff Roman nicht letztlich aus der Romantik herstammt, das legt zumindest der Name nahe.“
Den eher verkaufspraktischen Anregungen der Verlagsdirektorin stellt sie philosophische Fragen gegenüber. Beispielsweise Platons Höhlengleichnis oder Chamissos Geschichte über den verkauften Schatten Peter Schlemihls. So fragt sie sich entgegen ihrer erklärten Absicht, was einen guten Roman ausmachen würde. Durch die Auseinandersetzung mit zahlreichen literarischen Traditionen entwickelt sie ihr eigenes Schreiben und kommt dem Zitat von Thomas Bernhard immer näher, das als Motto über dem Roman steht: „Ich hab‘ nie ein Vorbild gehabt und auch nie eins haben wollen.“
Beschreibungen des realen Lebens in Kreuzberg durchbrechen ihre häufig durch Assoziationen ausgelösten Reflexionen. Sehr ironisch gerät ein Besuch in einer Schriftstellerkneipe. „…Ob man denn schon wisse, dass die Sowieso den Luise-Müller-Preis abgesahnt habe, obwohl sie diesmal den ganzen alten Scheiß aus ihrer Pubertät hingesendet habe, nur weil der Siegmund Danzig mal wieder in der Jury gesessen habe…“
Aber: Sie erzählt, sie ist mitten drin im Erzählen, „ich könnte noch viel länger von diesem Nachmittag erzählen“, sagt sie und am Ende des Prologs stellt sie fest, dass sie „diese Geschichte … zu Ende bringen“ will. Gut so.
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