Ralph Ellison zum 100.
Ralph Ellison in der American Academy in Rom, Mai1957
Gestern erinnerte Thomas Leuchtenmüller in der NZZ zum 100. Geburtstag an den afroamerikanischen Schriftsteller Ralph Ellison:
„Zwischen die Romanhelden Holden Caulfield aus J. D. Salingers «The Catcher in the Rye» (1951) und Augie March aus Saul Bellows «The Adventures of Augie March» (1953) schob sich Ralph Ellisons «Invisible Man» (1952); die deutsche Übertragung hiess 1954 «Unsichtbar», später «Der unsichtbare Mann». Der namenlose Protagonist des afroamerikanischen Schriftstellers unterschied sich von den anderen widerständigen Akteuren besonders durch eines: seine schwarze Hautfarbe. Doch genau wie die Altersgenossen war er ausdrucksstark, entwicklungsfähig und facettenreich. …
Warum hat der Autor an sein binnen sieben Jahren entstandenes Meisterstück nicht angeknüpft? …
Vor allem jedoch hat Ellison, der 1953 den National Book Award erhielt und im Wettbewerb Ernest Hemingways «The Old Man and the Sea» sowie John Steinbecks «East of Eden» ausstach, ja Jahrzehnte damit verbracht, einen zweiten Roman zu schreiben – und nie abzuschliessen. 1999, fünf Jahre nach seinem Tod, konnte daher bloss ein Fragment erscheinen, «Juneteenth» (dt. 2000), dessen Titel eine Gedenkfeier zum Ende der Sklaverei bezeichnet. Die Geschichte kreist um die wechselvolle Beziehung zwischen dem rassistischen Senator Adam Sunraider, der sich als Mulatte erweist, und seinem Adoptivvater, dem schwarzen Reverend und Ex-Musiker Alonzo Hickman. 2010 kam eine längere, 1100 der 2000 hinterlassenen Manuskriptseiten umfassende Version unter dem Namen «Three Days Before the Shooting . . .» heraus, die Weiteres im Dasein der Charaktere ausleuchtet. Klar wurde: Der Autor blieb ein Genie episodenhaften Erzählens; vielleicht fehlte ihm am Ende aber der Mut, die Collagen, Gedankenströme, Verrätselungen als das zu akzeptieren, was sie sind – postmodern.“
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