Ankerkette
Yves Bonnefoy © DR
Eberhard Geisler bespricht in der NZZ einen neuen Gedichtband von Yves Bonnefoy.
„Der mittlerweile über neunzigjährige Yves Bonnefoy legt noch einmal einen Textband vor, mit dem er seinen Rang als einer der wichtigsten französischen Lyriker der Gegenwart behauptet. Verschiedene Formen erprobt er in «Die lange Ankerkette»: Sonette, lyrische Notate, narrative Texte; ihm ist um die Aufhebung der Trennung zwischen Lyrik und Prosa zu tun. Er knüpft dabei an seine bekannten Themen an: die Kindheit, die Dichtung, Malerei und Architektur der Vergangenheit, Motive wie Bild und Traum. Auch hier führt er wieder ein Schreiben vor, das Poesie und Denken, Lyrik und Essay eng verflicht. …
Im titelgebenden Gedicht findet sich ein besonders eindrückliches Bild: Am Himmel erscheinen Boote, die an langen Ketten Anker auf die Erde herablassen und Halt auf dem Planeten suchen, bis sie sich schliesslich wieder losreissen und sich auf den Weg nach einem Anderswo machen. Es wäre verführerisch, an dieses Bild theologische Reflexionen anzuschliessen. Wie es grosser Literatur eigen ist, hat auch diejenige Bonnefoys einen Doppelcharakter: Sie heischt Bewunderung und lädt im selben Augenblick zum Weiterschreiben ein.“
Yves Bonnefoy: Die lange Ankerkette. Aus dem Französischen von Elisabeth Edl und Wolfgang Matz. Hanser-Verlag, München 2014.
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