Vom Hobel erinnert
Lars Gustafsson (Quelle: larsgustafssonblog.blogspot.de)
André Hatting bespricht aktuell auf Deutschlandradio Kultur den neuen Gedichtband von Lars Gustafsson: Das Feuer und die Töchter.
„Moor, Pferde, Gießkanne, Kartoffelsack – der Gustafsson-Wortschatz: klar und stark wie ein Herbsttag in Südschweden. Die Gustafsson-Grammatik: lyrische Prosa im Verssprung, bescheiden und basisdemokratisch. Seit er Gedichte schreibt, und das tut der mittlerweile 78-Jährige schon sehr lange, spürt der promovierte Philosoph das Besondere im Alltagsallgemeinen auf. Zum Beispiel in dieser alten "Halbdollarmünze, geprägt in St. Louis 1912", die irgendwann "in einer kleinen Schale aus grünem Glas" gelandet ist. Sie verliert an Wert, "während eigentlich nichts geschieht". Gustafssons fulminantes Schlussfazit: "Das meiste, das den Dingen geschieht,/ hat überhaupt nichts mit ihnen zu tun." Ein beeindruckender Aphorismus in Versform, kongenial übersetzt von Barbara M. Karlson.
Gustafssons Gedichte zu lesen bereitet auch deshalb so große Freude, weil er viele seiner Texte mit Humor verfeinert. "Frau Gauß, unsere gescheite Putzfrau" meint den Mathematiker Carl Friedrich Gauß und dessen Glockenkurve zur Normalverteilung. Gustafsson sieht darin einen langen Rock, mit dem die tyrannische "Schlossherrin" uns "in der spröden Langeweile/ des Mittelmaßes hält". Unter ihrem Rock verbirgt sie das Besondere, die Abweichung, das Unwahrscheinliche wie das "Kalb mit zwei Köpfen, den alten Mann im Wald/ der im Alter von 107 Jahren starb./ – vollständig glücklich –".“
Lars Gustafsson: Das Feuer und die Töchter. Gedichte.
Aus dem Schwedischen von Barbara M. Karlson und Verena Reichel
Hanser Verlag, München 2014
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