Faltgesten aus dem Urwald
Angelika Overath bespricht in der NZZ den neu erschienenen Band Erzählungen von Roman Ehrlich:
„Andere Erzählungen sind aus Shortcuts von Handlungsabläufen montiert, die nichts miteinander zu tun haben. Es entstehen Wimmelbilder des Menschseins, deren verbindende Energie die des Aufbruchs ist. «We've come to catch a glimpse of a great demon», singt eine verlorene, in alternativen (das heisst praktisch keine Gage zahlenden) Kulturzentren auftretende Jugendband von Lehrlingen in der atmosphärisch hinreissenden Geschichte «Eine kleine Einheit». Die irrlichternde Sehnsucht nach dem Dämon, nach der Epiphanie des Anderen, nach einer sinnvollen Intensität, die auch dem kleinen Ich gemäss wäre, läuft wie eine Zündschnur durch die Geschichten, die in kalten, oft komischen Feuerwerken abbrennen.
Roman Ehrlich ist ein unerschütterlicher Beobachter. Er notiert die «schaufelnde Bewegung mit dem ganzen Arm», mit der die Produktionsassistentin der Quizsendung das Publikum zum spontanen Applaus animiert, wie den «in Plasticfolie eingeschweissten Mandelschaukuchen unbestimmten Alters und schier unbegrenzter Haltbarkeit». Sein Blick kennt die Präzision des sicheren Schnitts, sein Ton die elegante Distanz, unter der sich eine grosse Fähigkeit zur Empathie schützt. Kafka hätte diese rätselhaft absurden Texte gerne gelesen, als Einführung in das 21. Jahrhundert.“
Roman Ehrlich: Urwaldgäste. Erzählungen. Dumont-Buchverlag, Köln 2014.
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