Stirn geboten
Im kommenden Jahr wagt Indonesien einen großen Sprung und stellt sich mit seinen Autoren als Gastland auf der Frankfurter Buchmesse 2015 vor. Wie sich die Dinge manchmal so fügen, hatte und hat das Berliner Künstlerprogramm des DAAD 2013 und 2014 zwei der interessantesten indonesischen Schriftsteller zu Gast: die Dichterin und Prosaautorin Dorothea Rosa Herliany im vergangenen sowie den Dichter und Performance-Künstler Afrizal Malna in diesem Jahr. Beide gehören sie zur sogenannten „zweiten Generation“ indonesischer Schriftsteller, die den postkolonialen Weg ihres Landes kritisch begleiten.
Dorothea Rosa Herliany ist eine Poetin, die alle Regeln auf den Kopf stellt, welche gemäß der patriarchalischen Geschlechtervorstellung und der religiös codierten Gesellschaft ihrer Herkunftskultur für sie als Frau gelten müssten: In ihren Gedichten ist die Frau nicht die Unterworfene, sie wird bei ihr zur Jägerin, die sich nun ihrerseits den Mann untertan macht. Doch auch wenn Herliany ihre Gesellschaft aus weiblicher Sicht kritisch befragt und die überlieferten Geschlechterverhältnisse als veraltet anprangert, wäre es dennoch unangebracht, sie als eine im westlichen Sinne „feministische“ Autorin zu bezeichnen. Sie selbst hat diese Kategorisierung stets abgelehnt. Ihr geht es nicht um Selbstbespiegelung, sondern darum, denen eine Stimme zu verleihen, die sich oftmals kein Gehör verschaffen können. Zwar spricht sie „kämpferisch“ mit der Stimme von Frauen – erhebt aber letztlich die Frage nach einer egalitären Gesellschaft jenseits jeglicher Dichotomien und damit nach einem menschenwürdigen Leben in einem utopischen wortwörtlichen „no-man’s-land“. Ihre Sprache ist entsprechend schockierend direkt, aber trotz aller bewussten Provokation nie vulgär, oftmals sogar von einer subtilen und erstaunlichen Zärtlichkeit. (Claudia Kramatschek)
„Auf der Sonne Stirn“ – 18 Gedichte von Dorothea Rosa Herliany in der deutschen Übersetzung von Ulrike Draesner. DAAD
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