Fix Zone

metamorphosen Nr. 24

Redaktion: 

„Es gibt keine realistische Literatur. Literatur ist eine Gegenwelt. Die Vorstellung, dass eine aus Sprache gestaltete Gegenwelt identisch mit der Welt sein könnte oder sollte, ist absurd. Es gibt keine Motive im Chaos der Welt. Erkennt man Motive, so ist es lediglich das eigene Ordnungssystem, das der Betrachter über die Welt stülpt. Welt hat keinen Sinn. Welt bekommt Sinn erst durch den Betrachter, der ihr durch das Betrachten Sinn verleiht. Literatur ist also stets das andere, das der Welt entgegensteht. Etwas, dem jemand Sinn verleiht, indem er nach festgelegten Regeln scheinbaren Sinn erzeugt. So herrscht nämlich in den meisten literarischen Texten eine befriedigende Ordnung vor, die abrundet, ästhetisch befriedigt, aber eine solche Ordnung ist mehr Spiel und Wunsch als eine Spiegelung der Wirklichkeit. Die eigentlich realistische Literatur ist die Literatur der Offenheit, eine an der Grenze verfasste Literatur, die dem brüllenden Chaos der Welt eine absichtlich geminderte Ordnung gegenüberstellt, also eine Literatur, die nicht in befriedigende Lösungen mündet, sondern die oft genauso rätselhaft bleibt wie die Welt, die zu spiegeln sie beabsichtigt.“
Christopher Ecker in der Rede zur Verleihung des Friedrich-Hebbel-Preises 2015.

Der newsletter der metamorphosen kündigt an:
„Über zwei Jahre ist es her, seit wir uns in den metamorphosen Nr. 15 mit den weit entfernten Galaxien und künstlichen Welten der Science-Fiction beschäftigt haben. Jetzt ist es Zeit für Teil zwei, denn was uns damals beim Lesen der Texte immer wieder auffiel: Science-Fiction als wahrnehmungsverunsichernder und -verunsicherter Modus hält auch in solche Texte Einzug, die mit dem Genre eigentlich nichts zu tun haben. Warum ist das so? Und warum muss dabei immer die Welt untergehen? Welche Literatur nimmt uns an die Hand und führt uns durch das Uncanny Valley der nahen Zukunft? Die Slipstream-Literatur vielleicht? Wo bleiben das Grobpixelige und der Glitch in den glatten Simulationen? Wo brechen wir aus unserem Programm aus – und wo die Protagonist*innen, von denen wir lesen?

An Antworten versuchen sich u.a. Christopher Ecker, Berit Glanz, Joshua Groß, Sina Kamala Kaufmann, Leonhard Hieronymi, Rudi Nuss, Jenny Schäfer und Mark von Schlegell.“

Leseprobe

*

Den Satz „Literatur ist eine Gegenwelt“ würde ich so nicht unterschreiben:  real ist an ihr, daß und wie sie geschrieben wird, realistisch besehen ein genau gleiches Tun wie Radieschen säen und eine Praxis der Beweltigung/Bewältigung, ein In-der Welt-Sein genauso wie eine Fahrradtour, die sich über Land aufmacht oder ein verschwitztes Schmieden am Aboß gegen die Härte des Materials – sie braucht die Mitwelt, um selbst Teil der Welt werden zu können. FM

 

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