Falltürexistenzen
Neues im Poetenladen: Hans Thill. Der heisere Anarchimedes. Gedichte.
Verse sind Übersetzungen – in Worte und Klänge übersetzte Erlebnisse, Einfälle und Erinnerungen, die Hans Thill wieder und wieder dreht und wendet, kollagiert und miteinander kollidierend ins Glühen bringt. Dabei entstehen beflügelte Zeilen, schrieb der Perlentaucher.
NICHTS IM HAUS erinnert an den
Oktober, der nachts in einer verlassenen Bar
beginnt, wo die Leute zu Stühlen
aufgestapelt schlafen.Mein Zimmer ist keines Monats
Kamerad, ein Tag erscheint ihm schon zu lang.
Ich wurde hastig gezeugt, vor einer
Waldtapete mit Kuckucksuhren.Ich denke rasch, wie eine Ratte im Erdreich
verschwindet. Der private Oktober
kommt nackt mit einem Eimer Wasser
in die Stadt, ein paar Stundenspäter ist Revolution. Zittert, ihr Zimmerbewohner,
jetzt werden die Boulevards mit Matratzen
gepflastert. Zittert ihr Zimmer,
ihr werdet aus einem Gedicht möbliert.(aus: Der heisere Anarchimedes)
In seinem neuen Gedichtband „Der heisere Anachimedes“ spielt Hans Thill so leicht wie genau, so geschichtsbewusst wie surreal mit Worten, Namen und Motiven. In Hintergrund schwingt die Weltpoesie mit. Seine Gedichte sind poetische Transformation: Personen, darunter Klassiker des Anarchismus wie Bakunin und Kropotkin, entstehen bei ihm gleichsam durch ihre Namen, so wie die Zeilen durch Sprache entstehen. Oft geben sich Hans Thills Gedichte, wie Michael Braun schrieb, heiter-launig, um dann plötzlich die Falltür ins existenziell Bodenlose zu öffnen.
Neuen Kommentar schreiben