Ein avusblauer, edler Akustikbastard auf BBS-Felgen.
Ein Buch, ein Entwicklungsroman mit oft bösen Inhalten in Turbotempo, das versöhnen möchte. Soziologie, Psychologie als frisch-farbige literarische Schilderung, für die nicht zuletzt Humor in Understatement mittels Jargon als Ausdruck (über)großer jugendlicher Sorglosigkeit verantwortlich zeichnet. Schwerstkriminalität mit ihren tödlichen Rivalitäten mögen dort zukünftig unterbleiben, beschwört die Widmung, denn die vielversprechenden Orte ihrer Kindheit hätten es nicht verdient, so der Autor vorab: „Dieses Buch widme ich meinem Township und deinem.“ Mit Anfang 30 hat sein Autor Sifiso Mzobe seinen gleich preisgekrönten Roman-Erstling vorgelegt, den er, wie ein Autobiograph verfahrend, in seinem Heimattownship Umlazi in Durban, Südafrika ansiedelt. Der Protagonist trägt dann allerdings den Namen Sipho Khumalo, der in seiner kurzen, aber umso fulminanteren kriminellen Phase als Siebzehnjähriger –„Ich hab’s nicht so mit den Wörtern.“ - den Namen „Young Blood“ angehängt bekommt, den die Übersetzerin aus dem Englischen, Stephanie von Harrach, – nur eine ihrer überzeugenden sprachlichen Festlegungen – für den deutschen Titel beibehält.
Was an Orientierung also genügte nicht im Township, um einen Sechzehnjährigen bei der Stange zu halten, beizeiten die Mechanikerlehre schmackhaft zu machen, die er am Ende und beinah zu spät - Friede, Freude, Eierkuchen - doch noch startet?
Der Fußball? Attraktiv, aber das Talent reicht nicht.
Die traditionellen Heiler? Ebenfalls prinzipiell interessant, aber eben auch nicht gerade peppig-richtungsweisend, so dass der Held in typisch frühdesillusioniert-humorvoller Weise über Bemühungen an seiner kleinen Schwester bemerken kann: „Als Nu fünf war und plötzlich aufhörte zu sprechen, heilte der alte Mbatha sie. Er verbrannte derartig viel Räucherwerk, dass Nu den Daumen aus dem Mund nahm und anfing zu husten.“
Die Familie? Mutter rechtschaffende Krankenschwester; Vater, kleiner Mechaniker, obwohl genau wie der Onkel für Kleinkriminalität immerhin offen. So dass Sipho unterm Strich auch hier für sich kein rechtes Zukunftsmodell sieht: „Mein Zuhause war Umlazi, ein Township. Meine Großeltern väterlicher- wie auch die mütterlicherseits gehörten zur letzten Generation derjenigen, die ihr gesamtes Leben am selben Ort verbracht hatten. Die Zeiten änderten sich, und zwar rasant. Selbst ich als Buschmechaniker schwor mir, nicht im Township zu enden, geschweige denn im Haus meines Vaters.“
Also erst einmal Autoklau in großem Stil, den der erfahrene Musa, „Mister Jetzt-Sofort“, ihm verharmlosend als „Autoprojekt“ schmackhaft machen kann, gleichsam vorsorgehortende Handlungen in Richtung „einer Zukunft … mit Kindern, einer Frau und einem einfachen, ehrlichen Geschäft wie einem Taxiunternehmen.“ Von Anfang an allerdings bemächtigt sich Siphos auch Unbehagen, wenn sich einer der „Cold Hearts“ gefühlskalt werbend an ihn wendet: „Er sah zu mir rauf, und seine Augen waren so leer, dass ich mich fragte, ob dahinter überhaupt etwas vor sich ging.“
Doch die Aussicht auf den schnellen schicken eigenen Wagen befeuert Siphos kriminelle Bereitschaft entscheidend. Und da steht er schon: „ein delphinförmiger BMW 328i … - eine edle Bestie, ein Hammergeschoss, eingehüllt in himmlisches Regenwasser.“ BMW, Benz, ein BMW, dann ein Benz, so geht es nun. Oh, wie er sie liebt, diese aufgemotzten Autos: „Ich hatte ihn schon manches Mal in seinem BMW 535i durchs Township düsen sehen. Ein avusblauer, edler Akustikbastard auf BBS-Felgen.“ Aber muss er nicht seinem Cousin Mandla zur Hilfe kommen, musste er denn nicht den Angreifer „mit dem Radmutternschlüssel“ erschlagen?
Noch nicht geschnappt, dafür gegen Abend stets alkohol- und drogenumflort - „Bier und Gras waren unser täglich Brot, aber am helllichten Tag fühlte es sich daneben an.“, trägt man Sipho im nächsten Schritt parallelen Einstieg in den Rauschgift-Handel an, eine gute Kapitalanlage vermeintlich. Allerdings: „Du musst ein bisschen Cash aufwerfen, Sipho, wenn du beim Ecstacy einsteigen willst.“
Aber Nana, seine Freundin, der Sipho in seiner Sorglosigkeit durchaus respektvoll gegenübertritt, kann die ihn denn nicht vom Schlimmsten abhalten? Schließlich hat sie doch den größeren Überblick: „Es war, als wüsste sie irgendetwas über mich, von dem ich nicht die geringste Ahnung hatte. Ich gab es auf – es lief sowieso erstaunlich gut. Warum also nachbohren, wenn alles in Butter ist?“ Nein, ihr verschweigt er so lange Autoklau und Drogendienste bis es eben knallt. Längst sind schon die risikofreudigen Mentoren in ihre frühen Särge gesunken und er selber hatte gewisse Warnzeichen durchaus richtig gedeutet, kam er sich selber doch nun so verroht vor wie jene: „Aus dem Spiegel der Tankstellentoilette starrte mich mein Ebenbild an. Ich trat ein Stück näher heran. Ein sachliches, freudloses Grinsen von Ohr zu Ohr stand mir im Gesicht.“
Ist es als Glück zu bezeichnen, dass die Polizisten ihm gleich die Summe nennen, die ihn vor harter Verurteilung bewahren kann? Fürs Großeganze wohl nicht, aber Sipho immerhin bietet es nun die Chance – ist ja nach wie vor erst siebzehn -, brav und reumütig eine Lehre anzufangen. Was er auch tut.
Der Roman überzeugt, wenn die Authentizität des Townshipjargons mit ihrem Understatement abgebildet wird, was Stephanie von Harrach in ihrer Übersetzung aus dem Englischen erstklassig gelingt, weil nie überdrehend.
Das Buch ist ein ganz interessanter Beitrag zur Historie, zur Soziologie des Townships, eine noch gelungenere Darstellung aber der Psychologie eines Heranwachsenden in schwieriger Umgebung (nach dem Muster der amerikanischen Story of initiation) jenseits der traditionell vorgeschlagenen Bescheidung; nämlich im Angesicht von scheinbar schnell Erfolg versprechenden Aktivitäten hin zu Geld, Prestige mit zwangsläufiger Verstrickung in Schwerstkriminalität. Es ist wunderbar in der Abbildung des männlichen Helden, Anti-Helden in seiner allerinnigsten Liebe zum sportlichen Auto. Freundin? Fahr ich doch gleich hin mit dem Geschoss!
Es gefällt literarisch durch strukturelle Details wie lakonische Kapitelüberschriften, welche die unbändige Sorglosigkeit eines Siebzehnjährigen widerspiegeln, z.B. „ Und es geht los, junger Mann“.
Und es hält poetische Leckerbissen bereit wie den grandiosen nie gelesenen Satz zu einer ersten Liebe: „Sie lächelte, als hätte ich sie innerlich gekitzelt.“
Dass der Hammer Verlag Wuppertal durch all die Jahrzehnte unbeirrt die literarische Kraft Afrikas vorführt: unseren Respekt hat er dafür.
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