Ethos des Lesens
Gut besucht - am Jubiläumstag in der Philologischen Bibliothek der Freien Universität Berlin. | Bildquelle: Frederic Schweizer
„Ethos des Lesens“ – heißt die Ausstellung des Peter Szondi-Instituts, das noch bis Anfang März in der Philologischen Bibliothek der FU in Berlin zu sehen ist.
Christine Bolt berichtet in campus.leben:
„Die Ausstellung wurde vorbereitet von 15 Studierenden, die im Rahmen des Seminars „50 Jahre AVL an der Freien Universität (1965–2015) – Recherche und Ausstellung“ bei der Komparatistikprofessorin Irene Albers die Geschichte ihres Instituts erforscht haben. Mehr als ein halbes Jahr haben im Universitätsarchiv und im Deutschen Literaturarchiv in Marbach Studien- und Seminarpläne, Dokumente und Briefe aufgespürt und auch mit Ehemaligen gesprochen.
Welche Geschichte wolle man erzählen? Das sei die Leitfrage der Studierenden gewesen, sagt Masterstudent Patrick Durdel, als sie die Ausstellung „Ethos des Lesens“ für die Philologische Bibliothek konzipiert hätten. Keinesfalls hätten sie „Personen- oder Institutionenkult“ betreiben und „niemandem einen Altar errichten“ wollen. Die Zugehörigkeit zum Institut einerseits und der große zeitliche Abstand zu dessen Gründung andererseits habe gewissermaßen für eine zugleich befangene und kritische Haltung gesorgt. Durch ihren Blick in die mythisch verklärte Vergangenheit des Instituts entdeckten die Studierenden in Szondis Haltung einen Auftrag für die Gegenwart: einem Text mit derselben Ernsthaftigkeit und demselben Respekt zu begegnen wie einem Menschen. …
In zwölf Vitrinen sind die vergangenen 50 Jahre – mit dem Schwerpunkt auf den ersten 40 Jahren – des Instituts ausgestellt. Gegliedert nach zeitlichen Zäsuren und nach Umzügen: die Jahre im Kiebitzweg mit Peter Szondi bis zu seinem Suizid 1971, die „professorenlose“ Zeit danach bis zur Berufung von Eberhard Lämmert 1977, die lange Zeit, in der das Institut – nach einem vierjährigen Intermezzo in der Rheinbabenallee 14 – im Hüttenweg 9 untergebracht war, und schließlich der Einschnitt durch den Umzug in die Rost- und Silberlaube 2005 – das Jahr der Umbenennung in Peter-Szondi-Institut.
Eine Vitrine ist Paul Celan gewidmet, als engem Vertrautem Peter Szondis und gewissermaßen stellvertretend für all die Autoren, mit deren Werken man sich am Dahlemer Institut von Beginn an beschäftigt hat und bis heute beschäftigt. Celans Lesung im Dezember 1967 an Szondis Seminar war der einzige Berlin-Besuch des Dichters.“
Zur Ausstellung Sieglinde Geisel heute in der NZZ:
„Die Ausstellung zeigt den Kult um Szondi, betreibt diesen jedoch nicht selbst, sondern wahrt Distanz. «Hier sprach jemand, der unmittelbaren Zugang zur Wahrheit hatte, in Formulierungen, die nur Eingeweihten zugänglich waren», erinnert sich Jochen Rehbein. Wer Szondi verstehen wollte, musste «sich höchster Aufmerksamkeit befleissigen», so Hanns Zischler, der gar von «Lippenlesen» spricht. Am Kiebitzweg habe eine «Atmosphäre des Unbedingten» geherrscht. Als Vaterfigur schaffte Szondi auch Abhängigkeiten: «Man versuchte dann, so zu schreiben wie Szondi, ohne jemals dort anzukommen», so formuliert es Hella Beister.“
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