A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
↰

Henning Heske

* 1960
Düsseldorf

Vita

Lebt in Krefeld.
 

Auswahlbibliografie

Zeitstromende / Ausgewählte Gedichte
Henning Heske
Zeitstromende / Ausgewählte Gedichte
tredition
2018
Rotverschiebung, Henning Heske, Verlag im Proberaum
Henning Heske
Rotverschiebung
Verlag im Proberaum, vergriffen
2010

Textfläche

Zeitbogen

In unserem abgeschlossenen System
 nimmt die Unordnung niemals ab.
 Die Zeit ist unnatürlich asymmetrisch –
 ein hoch geordneter Anfangszustand,
 das Prinzip Ei.
 Der Zeitpfeil zeigt in die Richtung           
 des natürlichen Endzustandes:
 der leere Raum.
 Da bleibt nur die große Unbekannte,
 die dunkle Mademoiselle.
 Alles doch nur eine Chronologie
 zufälliger Ereignisse? Wir werden keine
 Erinnerungen an die Zukunft
 verlieren.

18.04.2014  ·  Aus: Rotverschiebung. Gedichte. Verlag im Proberaum 3, Klingenberg 2010

Substanzgewinn

Stechpaddelnd auf der Wasserader,
durch den Vormittag, vorbei an schicken Lofts,
den Blüten des Strukturwandels, Anlegestellen
und Brombeersträuchern –
ein zielführender Sackgassenkanal.                    

Die Stadt als aufgeschlagenes Buch
mit stattlichen Bibliotheken und dem Fockeberg.
Unser Panoramablick schweift zurück
auf die eigenen Lebensringe.

Vorwärts in den Prager Frühling
und ins Puschkin. Hier bergen die Namen
noch verlorene Versprechen.

An der Galopprennbahn amerikanisches Luftkino.
Doch seitlich zwischen Lampions

schimmern andere Visionen.

18.04.2014  ·  Aus: Rotverschiebung. Gedichte. Verlag im Proberaum 3, Klingenberg 2010

Geschmacksverlauf

Differenzierte Wahrnehmung jenseits
des verkopften Normdenkens. –
Eine Binnenstruktur, die nicht
auf Kontraste setzt. Dominante
Fondwirkungen verschleiern.
Intensiviertes Mundgefühl –
die räumliche Staffelung von Aromen
wie Texturen. Degustation
und der Riss im Alltag: ein Apfel
mit dem Geruch von Sellerie
und dem Geschmack von Rindfleisch.
Eine Dekonstruktion der verbotenen Frucht.

 

18.04.2014  ·  Aus: Rotverschiebung. Gedichte. Verlag im Proberaum 3, Klingenberg 2010

Saitenspiel

Fokussiert im Tiefenwinkel meiner Pupille
deine Gravitationskörper: zwei Hemisphären,
die eine vitale Atmosphäre verheißen.
Konvektionen, elektrophysiologische Signale
eines Gipfelsturms. Der reproduzierte Drang
nach weißen Flecken, homo incognito.
Sinusförmige Linien, Umriss einer erogenen
Landschaft mit atemberaubender Akustik.

18.04.2014  ·  Aus: Ereignishorizonte. Gedichte. Lyrikedition 2000, München 2003

Schlangenstein

Auf dem städtischen Totenacker Poeten
in der Fürstengruft. Dunkle Pflanzen
zwischen Stein und Eisen und Moos
im Irrgarten des Vergänglichen.
Modriger Unduft, Grenzmarke zur Stadt
der Untoten. ­­Keine Chance mehr:
Euphrosyne küsst sie nicht wach.
Der Schädel des Freundes, eine Reliquie
im Provisorium auf Dauer. Warten
auf eine Mazeration oder anderes.
Verwitterte Epitaphe – verbleichender Nimbus.
Exuvien im Sackbahnhof der Metamorphose.
Knochen als individueller, codierter Text.

18.04.2014  ·  Aus: Wegintegrale. Gedichte. Lyrikedition 2000, München 2006