Fix Zone

2. Woche Poliversale

Redaktion: 

an den vier Abenden der 2. Poliversale-Woche sind Dichtungen aus fünf unterschiedlichen Ländern und Kulturräumen zu erleben. Dabei spielen poetische Großformen – Epos, Poem, Langgedicht – eine wichtige Rolle. Zum Zweiten haben dabei nicht nur die »Primärtexte«, sondern auch Interpretationen bzw. Übersetzung substantielle Bedeutung.

Den Beginn setzt am Montag, dem 6.6., um 18 Uhr das 180-seitige Langgedicht Flow Chart (1991) von John Ashbery, einem der prominentesten amerikanischen Gegenwartsdichter, in der erstmaligen deutschen Übersetzung von Matthias Göritz (gemeinsam mit Uda Strätling): Flussbild (2013). Der deutsche Dichter (s. 2.6.) rezitiert (unter Mitwirkung von Ann Cotten) und kommentiert Ashberys Hauptwerk, dessen faszinierender langer Atem kontrapunktiert wird von jähen Oszillationen zwischen konkreten Lebensmomenten, Erinnerung und allgemeiner Da-Seins-Reflexion.

Um 19.30 Uhr setzt die amerikanisch-österreichische Dichterin Ann Cotten mit ihrem soeben erschienenen Versepos Verbannt! fort, einer Art weiblicher Robinson-Crusoe-Geschichte, deren Plot aber gleichsam von innen her und in die Gegenwarten und die Zukunft geöffnet wird und in dem sich Ann Cotten spielerisch mit der Frage hybrider Sexualität, Identität und Gesellschaft auseinandersetzt. Ebenso spielerisch wie kunstvoll der Einsatz einer neunzeiligen »Pseudo-Spenser-Strophe« (nach Edmund Spenser, dichterischer Vorläufer William Shakespeares).

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Am Dienstag, dem 7.6., sind zwei lyrische Stimmen der schwedischen Gegenwartsdichtung kennen zu lernen: 18.30 Uhr im Schwedenhaus (Liechtensteinstraße 51, 9. Bezirk – bitte Anmeldung unter ambassaden.wien-event@gov.se oder 01/ 217 53 2240):
Lotta Olssons Himmel i hav ist ebenfalls ein Langgedicht, in dem eine weibliche Stimme in einen Dialog über Mutter-Werden und Mutter-Sein mit der Unterwelts- und Fruchtbarkeitsgöttin Persephone tritt. Für diesen Anlass wurden Gedichte Lotta Olssons von Daphne Springhorn (Schwedische Botschaft) mit der österreichischen Dichterin Marie-Thérèse Kerschbaumer erstmals ins Deutsche übersetzt: Himmel und Meer.

Soeben ist in deutscher Übersetzung ein zweiter Band ausgewählter Gedichte, Sprache und Regen, von Katarina Frostenson erschienen, die sich mit unterschiedlichsten Bezügen u.a. zu Ovid, Anna Achmatova, Unica Zürn, Danilo Kiš oder Inger Christensen im literarischen europäischen Feld artikulieren. Sie variieren zwischen stenogramm-artigen, assoziativen Daseins-Protokollen, kleinen Zyklen und langen Elegien und Gesängen, und prägen damit Bilder eines Lebens, in dem sich Landschaftsmerkmale, Berge, Täler, Flüsse, tierische, menschliche Laute und Körper mit dem wachen Bewusstsein des Dichtens verbinden. 

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In den zwei Vorlesungen ihrer Ernst-Jandl-Dozentur für Poetik deutet und übersetzt die deutsche Dichterin Barbara Köhler einen der »Gründungstexte« abendländischer Literatur: die Homerische Odysee. Eigenwillig und erkenntnisreich ihre dichterisch-analytische Methode, den Text als Gewebe im Wechsel von Kette und Schuss zu interpretieren, Vorder- und Rückseite des sprachlichen Ausdrucks als Wechselspiel willkürlicher und unwillkürlicher Welt- und Personensicht in eigenen Übersetzungsschritten zu erfassen. 1. Vorlesung am Mittwoch, dem 8.6., 19 Uhr, Universität Hauptgebäude (Univer-sitätsring 1, Hörsaal 31), 2. Vorlesung am 15.6. ebenda.

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Am Donnerstag, dem 9.6., um 19 Uhr stellen, wieder in der Alten Schmiede, der ungarische Dichter István Kemény und der in Berlin lebende Dichter und Verleger Ulf Stolterfoht ihre jüngsten Gedichtbände vor: István Kemény schreibt in Ein guter Traum mit Tieren (deutsche Fassung 2015) durch einen bitteren Nihilismus hindurch, der die Masken des Selbst, des Privaten, und der gesellschaftlichen und politischen Lage in Ungarn schonungslos zur Sprache bringt, während Ulf Stolterfoht in seinem 9-teiligen Poem Neu-Jerusalem die Rhetorik und Sprachregister religiös-libertinistischer Demagogie und Ideologie untersucht, und das Sprachmaterial pietistischer Befreiungsbewegungen des 18. Jahrhunderts mit aktuellen Sprachmustern verschränkt.

Diese vier Abende versprechen wieder poetische Sprachkunst auf höchstem Niveau, ästhetisch mutig entworfene, politisch triftige Gedichte und Langgedichte, Reflexionen zum poetischen und kulturellen Erbe und mit dem Intimen und Eigenen verschränkte poetische Analysen des Ich als kreatives und in verschiedene Gemeinschaften eingebundenes Sprach- und Gesellschaftswesen.

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