Drei Generationen katalanischer Frauen
In seiner Heimat Katalonien ist Lluís Llach seit Langem kein Unbekannter. Allerdings kennt man ihn dort vor allem als Musiker der Nova Cançó, der musikalischen Bewegung, mit der während der Franco-Diktatur das katalanische Selbstbewusstsein wiedererwachte. Mit „Die Frauen von La Principal“ hat Llach einen Debutroman geschrieben, dessen Handlung sich in wechselnden Zeitebenen durch drei Generationen einer katalanischen Winzerfamilie zieht.
Im Mittelpunkt des Romans stehen drei Frauen. Mutter, Tochter und Enkelin, alle tragen den Namen Maria. Ende des 19. Jahrhunderts fällt das in der katalanischen Provinz befindliche Gut der Familie Roderich der Reblaus zum Opfer. Der Gutsherr Andreu Roderich beschließt kurze Zeit das Erbe unter seinen fünf Kindern zu verteilen. Während die Söhne Immobilien und das Vermögen erben, fällt das Weingut „La Principal“, das den Lebensmittelpunkt und den Ursprung des Reichtums der Familie darstellt, an die Tochter Maria. Für sie bedeutet dieses Erbe nicht nur die Enttäuschung ihres Lebens, sondern auch das Gefühl ihr Leben lang Gefangene von La Principal zu sein. Dennoch macht sie das Gut erfolgreich und wird die mächtigste Frau der Gegend. Nicht nur das, sondern allein die Tatsache, dass sie als Frau über ein solches Gut herrscht, ist zu dieser Zeit eine Sensation.
„Ich weiß nicht, ob du eine Ahnung hast, was es damals bedeutete, eine Frau zu sein. Es war eine Art verdeckter Sklaverei; und das ist noch untertrieben, es war Sklaverei bei helllichtem Tag. Mit den Ketten der Tradition und den Fußschellen der Religion zwang die rückständige Moral die Frauen, sich einen Mann unterzuordnen, der ihre Minderwertigkeit obendrein für naturgegeben hielt.“
Jahrzehnte später, im Jahr 1940 ist Marias Tochter, die sich in Llorenç Costa, den Sohn einer Hausangestellten, verliebt, der nicht nur keineswegs ihrem Stande entspricht, sondern obendrein homosexuell ist, Herrin von La Principal. Zu dieser Zeit nimmt der Inspektor Lluís Recader Ermittlungen zu einem Fall auf, den er mit „Mord auf der Principal“ überschreibt. Es geht um den Fund der verstümmelten Leiche eines ehemaligen Vorarbeiters der Principal, der von der Herrin verbannt wurde, weil er sich an eben jenem Llorenç sexuell vergangen hat. Während der Wirren am Vorabend des Spanischen Bürgerkrieges war die Leiche in einem Sack auf dem Hof abgelegt worden. In den nun folgenden Verhören stellt sich heraus, dass es sich hier um eine Tat handelt, die viel weitere Kreise zieht als gedacht, und die bei Bekanntwerden einen Skandal heraufbeschwören würde.
Mit den Mordermittlungen wandelt sich der Roman zu einem Kriminalroman, dem es auch an Humor nicht fehlt. Die Figuren, die Llach zeichnet, wirken authentisch, auch wenn die eine oder andere Angewohnheit der ältesten Maria etwas übertrieben erscheinen mag. Selbst für die eigene Enkelin erscheint die Großmutter unwirklich.
„Na ja, Oma ist die reinste Operettenfigur. Ein hartes, unleidliches, zupackendes Weib, mit der einen oder anderen Schwäche zwar, aber boshaft bis ins Mark ... Sie auf ihrem Tragsessel, ein echt starkes Bild! Das waren andere Zeiten. Ich lebe im selben Haus und kann es mir kaum vorstellen. Es muss grässlich gewesen sein.“
So leicht und unterhaltsam das Buch auch sein mag, finden sich doch auch kritische Klänge, insbesondere in Hinblick auf die Machenschaften der Kirche. Mit „Die Frauen von La Principal“ zeichnet LLach nicht nur ein Sittenbild Kataloniens vor dem Bürgerkrieg und unter der Franco-Diktatur, sondern beschreibt die emanzipatorische Entwicklung der Frau in diesem Teil Spaniens.
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