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Das Meer und der Norden     Streifzüge von Küste zu Küste     von Charlotte Ueckert
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Das Meer und der Norden     Streifzüge von Küste zu Küste     von Charlotte Ueckert
Kritik

auf risse/komme es an

Hamburg

Die im letzten Jahr verstorbene Elisabeth Axmann – eine Dichterin, deren (Wieder-)Entdeckung sehr zu wünschen wäre. 1926 in die Bukowina geboren, jene Region, die Topos wurde, dort und in der Moldau und Siebenbürgen aufgewachsen, ein Leben im Zeichen der Flucht, nicht nur 1944-1946, sondern auch als Tochter eines im Gefängnis umgebrachten Vaters, dem sie ein Gedicht widmete: verklausuliert, auf daß es der kommunistischen Zensur nicht zum Opfer falle. Erst mit der Flucht aus Rumänien (1977), wonach sie in Köln lebte, wo sie auch starb, fand sie wohl etwas wie Heimat; und in ihrer Sprache, geschult an humanistischer Bildung, geprägt von der Sensibilität für das, was womöglich Sprache allein bewahren kann, die aber auch Komplizin des Terrors und des Vergessens oft ist. Das Werk beinhaltet Verstörendes, so dieses Gedicht auf Gefangenen auf Sachalin:

„wer die ruhe
der erde stört sagen sie
auf sachalin muss
sterben

wer sterben muss stört
ruhe
wer ruht
wird sterben wer
sagt auf sachalin
muss sagen
wer stört die erde
wer ruht auf sachalin
wer stirbt
wer?”

Die Frage wider die Pseudokausalität des Totalitarismus: „auf risse/komme es an”, so heißt es bei Axmann, das sei der Grund, warum das Dasein „immer etwas anderes als das (tue), worauf es ihm ankomme”, ein Anti-Fatalismus des Worts.

Diese Stimme stellte sich in den Dienst eben dessen; diente auch etwa im Band Fünf Dichter aus der Bukowina anderen solchen Stimmen, nämlich denen Alfred Margul-Sperbers, Rose Ausländers, Moses Rosenkranz’, Alfred Kittners und Paul Celans. Hier sei die Gelegenheit genutzt, sich wiederum in ihren Dienst zu stellen; und zu sagen: Elisabeth Axmann muß – wieder – wahrgenommen werden. Der Rimbaud-Verlag und Bernhard Albers machten sich editorisch mehrfach um Axmann verdient, neben den hier in den Mittelpunkt gestellten Bänden wäre auch auf Wege, Städte, Erinnerungen und die „Erinnerungssplitter” Die Kunststrickerin hinzuweisen, ebenso die Anthologie Blaueule Leid; ferner ist ein Band mit Interpretamenten und Materialien (Hg. Jürgen Nelles) in Arbeit. Diesen Bemühungen ist Aufmerksamkeit zu wünschen, Elisabeth Axmann aber eine breite Leserschaft.

Elisabeth Axmann
Glykon
(Bukowiner Literaturlandschaft Bd. 65)
Rimbaud Verlag
2012 · 62 Seiten · 20,00 Euro
ISBN:
978-3-89086-447-1 ISB
Elisabeth Axmann
Spiegelufer
Gedichte 1968–2004 (Bukowiner Literaturlandschaft Bd. 22)
Rimbaud Verlag
2004 · 96 Seiten · 15,00 Euro
ISBN:
978-3-89086-678-9

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