Anzeige
Heimat verhandeln V&R böhlau
x
Heimat verhandeln V&R böhlau
Kritik

„Lärm um Nichts in den Annalen der Weltliteratur”

Hamburg

Daß Terry Eagleton ein brillanter Denker ist, muß man nicht betonen; so ist auch der neue Band – Literatur lesen, so der Titel seiner Einladung – geistreich. Ganz gelingt ihm aber die Größe der Gesten nicht, wenn er als Pointe Gott Michael Jackson vorwirft oder sich von den Klassikern zu Harry Potter begibt, zu dem ihm aber nur die Idee kommt, daß die Zauberei hier die Wurzel des Guten wie des Bösen sei, worauf man denkt: Da hätte er bei den Klassikern bleiben können, zu denen ihm ja immerhin mehr einfällt.

Da wird immerhin das Johannes-Evangelium (nicht völlig ironiefrei) als impliziter Gottesbeweis gelesen: daß sich sagen läßt, was sich nicht sagen lasse. Ist das Wort Gott oder bei Gott? – „Am Anfang war das Paradoxon, das Undenkbare, das, was die Sprache bezwingt”…

Was die Einladung zur Einführung mache, bleibt zwischen Brillantem und Bemühtem unklar. Daß es „nicht eine korrekte Interpretation” gebe, wo es um literarische Werke geht? – Schön. Daß der Leser „kontinuierlich Vermutungen anstellt”, weil sonst „ein literarischer Text nicht funktionieren kann”? – Schön, schön. Damit kann man sich abspeisen lassen, aber es begeistert nicht, was Eagleton insgesamt vorstellt.

Alles in allem ist Eagletons Band mitunter spannend, keine Frage, aber er überzeugt nur an diesen Stellen, zehrt dann von deren Nachhall, wenn es weitergeht; und eine konzise Einleitung in die Fragen der Literaturwissenschaft und -kritik sucht man zuletzt doch vergebens. Zeit, daß Klaus Weimars Enzyklopädie der Literaturwissenschaft in Erinnerung gerufen wird: strenger, klarer und pointierter … und leider nur noch antiquarisch zu bekommen.

Terry Eagleton
Literatur lesen
Übersetzung:
Holger Hanowell
Reclam
2016 · 268 Seiten · 24,95 Euro
ISBN:
978-3-15-010967-0

Fixpoetry 2016
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Fixpoetry.com und der Urheber
Dieser Artikel ist ausschließlich für den privaten Gebrauch bestimmt. Sie dürfen den Artikel jedoch gerne verlinken. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Letzte Feuilleton-Beiträge