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Kritik

„Schnurrhaare an meiner Wange”

Henisch, Autor & Kater h.c.
Hamburg

Peter Henischs Schreiben: unermüdlich, eine Welt spinnend. Kein Faden, der nicht wieder aufgenommen werden könnte… Von der Peripherie (topographisch im Baronkarl 1972) ins Zentrum, wie Georg Simmel das Kunstwerk beschrieb:

„Das Wesen des Kunstwerkes aber ist, ein Ganzes für sich zu sein, […] jeden seiner Fäden wieder in seinen Mittelpunkt zurückspinnend.”

Wobei das Ganze immer neu entsteht, mit jeder Wendung in diesem Gesamtwerk, das sich durch Verschiedenes doch als eines abzuzeichnen scheint.

Diesmal das Zentrum. Und zwar, weil es hier um Henisch geht. Sein Zentrum aber sozusagen die Katze. Die Katze das Immergleiche, das Zentrum und Epizentrum … oder jedenfalls eine Katze, irgendwann archetypisch, für die eine Katze, die beobachtet – wie Henisch, wie der Junge, als den er sich evoziert: „Ich stehe, nein, ich knie am Erkerfenster.” Eine Correctio, eine Präzisierung, alles ganz Innewerden, mit und neben der Katze:

„Die Katze, schwarz bis auf den weißen Fleck auf der Brust, sitzt neben mir auf dem Fensterbrett, manchmal spüre ich ihre Schnurrhaare an meiner Wange.”

Überhaupt: der Kinderblick … Kyrillika als kopfstehendes Alphabet; und andererseits der erwachsene Blick, mit seiner eigenen Ironie beargwöhnt – ob er einst Bachmann und Celan gesehen habe..?

Katze und Kind, jedenfalls. Die beiden sitzen verschworen an der Peripherie, die das nicht ist, weil Argus das Zentrum immer ist, blicken in die Gegenwart, Henisch aber blickt zurück, ein „Menschenalter” sei es nun, aber es ist ein Blick zurück aufs Glück, das die schwarze Katze brachte, die eigentlich eine dreifärbige ist.

Und Glück strahlt in die Zukunft, etwas wunderbar Genaues und geradezu dennoch Gelassenes hat dieses wunderbare Buch. Trotz manchem Kratzer. Trotz der Dramatik des Schlußaktes, als man ums Leben der dreifarbig-schwarzen Katze bangt. Darum, ob sie wirklich deren mehrere habe… Schon zuvor: Katze – die, die man freiläßt, sorgenvoll, das Kind erfährt darin wohl sich:

„Inzwischen hat sich die Katze schon wieder weit aufs Sims hinausgewagt. Und das ist glatt, bei diesen Witterungsverhältnissen. […] Murli!, möchte ich sagen, doch ich besinne mich noch im selben Moment, […] um meine Katzenschwester nicht zu erschrecken – also: Murli (ohne Rufzeichen), komm zurück!”

Und man bangt da und später noch mehr um die Existenz fast des Kindes, das immerhin beim Schwarzen Peter dieser ist, der als schwarzer Kater abgebildet ist; das als Berufswunsch auch gerne Katze angäbe, aber im Schriftstellerdasein eine Alternative entdeckt. Und um jede Katze bangt man, aber dann bangt man doch nur um diese.

Und um die Welt, die nur in diesen Augen aufleuchtet – vielleicht ist Henisch es doch geglückt, nicht nur Autor zu werden, sondern auch ein Kater.

Peter Henisch
Suchbild mit Katze
Deuticke
2016 · 208 Seiten · 20,00 Euro
ISBN:
978-3-552-06327-3

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