„unsere Chancen, als Menschen bestätigt zu werden”
Rechtzeitig zu Robert Antelmes 100. Geburtstag hat diaphanes die bewährte Übersetzung seines Textes Das Menschengeschlecht durch Eugen Hemlé (1987, also vor 30 Jahren und noch zu Lebzeiten Antelmes erschienen) neu aufgelegt: eines der wichtigsten Bücher des 20. Jahrhunderts, eines jener Bücher, über die man nicht so sehr sprechen sollte, als sie sprechen lassen, indem man sie wieder und wieder liest. Das Protokoll Antelmes aus dem KZ Dachau führt ohne Abschweifung in die Hölle, die aber dies, eine theologische Imagination, nicht mehr ist, also auch durch alle Euphemismen dorthin, wo das Wort bedroht ist, wie es der Zeuge war.
Und erst da wird dann doch so etwas wie eine Sprache vernehmlich, die von jener Unsprache der Täter differiert, die beschönigte, die leugnete, die sich wie das Denken versimpelte und zum Werkzeug eines technisch avancierten Massenmordes wurde, taub für Alterität, taub für jene, denen man zuvor das Recht auf Sprache aberkannt hatte. Während sie selbst sich einer Sprache bediente, die „ein Verrat an allen Wörtern” war. Einer Sprache, die nur einen Satz sagte: „Du sollst nicht sein”.
Eine Sprache ohne Zukunft. Und indem diese sich lesen lassen muß, entsteht dies:
„Je mehr uns die SS das Menschsein abspricht, uns als Menschen leugnet, umso größer sind unsere Chancen, als Menschen bestätigt zu werden.”
Autonom wider eine Sprache der Heteronomie. Große Literatur, aus Schmerz geboren: gegen ihn.
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