Betuliches zum Gedicht
Peter von Matt ist einer der eloquentesten Vertreter der Germanistik der Gegenwart, ein scharfer Denker, dem die Gratwanderung zwischen origineller Lektüre und dem, was als wissenschaftliche Befundung philologisch paradoxerweise nicht genügte, besonders gerne gelingt.
So meist auch im neuen Band, der die Frage, was ein Gedicht sei, beantworten will. Die Lyrik, verdächtig, weil jeder „Verfügungsgewalt” entzogen, aber darum auch die Chance dessen, was Sprache ist, wird dabei mit Begriffen umrissen, denen sie aber zuletzt doch entgleitet, immer wieder, als sei es dies, was Dichtung ausmacht. Das Häßliche wird schön, das Schöne ist nur mehr Echo dessen, was schön sei, Inspiration wird Technik und Technik Inspiration, … und all das wird dann gerne diesmal doch arg betulich vorgetragen, spätestens, wenn der Autor schließlich sagt, Adornos „kürzest mögliche Weise, etwas auszusagen”, sei „nicht immer auch die deutlichste”, stellt man sich auch als geneigter Leser folglich die Frage, was aber die Umwege und Biedermeierlichkeiten Peter von Matts hier zu jener Deutlichkeit beitragen, die man auch knapper haben könnte.
Diesen Zug zeigt der Autor hier nicht erstmals, bloß erstens so stark – und zweitens stört er hier, wo es nicht etwa um den Kuß geht, sondern eben um so etwas wie eine Begriffsfindung, ungleich mehr. Ob „wie die zwei Könige auf der Spielkarte” George und Celan gegenüber stehen? Und was besagte das dann aber..? Was sollen ein Zitat und ein einseitiger Kommentar, wenn beides so schließt, daß jenes „Gedicht […] die nähere Betrachtung” aber denn doch nicht „lohnt” – ist das als Folie für Benn vonnöten..?
Das bagatellisiert nun nicht manchen schönen Befund, manche feine Analyse; dennoch bleibt man ratlos zurück, wo der Verfasser aus solchen Schnörkeln nicht mehr findet – und dabei aber auch nicht etwa in etwas, das sich irgend als seinerseits eben dichterisch advozieren ließe. Das „klischierte[s] Reden”, das Lyrik meiden wolle, hat den Mahner mitunter infiziert, so will es fast scheinen.
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