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Komm! Ins Offene haus für poesie
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Kritik

„wie dies Einhörner eigentlich tun sollten”

Hamburg

Kurzfassung:

Anruf bei Radio Jerewan: Stimmt es, daß Iwan Iwanowitsch in der Lotterie ein neues Auto gewonnen hat? – Im Prinzip ja. Aber es war kein Auto, sondern ein Fahrrad, es war nicht neu, sondern alt, und er hat es nicht gewonnen, sondern es ist ihm gestohlen worden.

Nein. Das besagt zwar einiges, daß Wörter – anders als grammatische Strukturen? – arbiträr sein mögen, daß Sätze Intentionen folgen, … – aber das wäre so nicht befriedigend, und darum gibt es eine umfassende Version, mit Berücksichtigung leerer Namen und fiktiver Entitäten, nämlich von Saul A. Kripke.

Da lernt man, daß es Sherlock Holmes nicht gab, wiewohl er möglich ist, was wiederum nicht bedeutet, daß etwa Darwin unter anderen Bedingungen Sherlock Holmes geworden wäre … oder hätte sein können. Hätte Darwin der Detektiv nicht sein können..? „Existenz”, so Kripke u.a. mit Russell, ist „kein Prädikat”, ein Umstand, der beunruhigend ist, weil er „auf alles zutreffen” kann und strukturell muß. Womöglich steht Darwin im Wege, daß, wenn er Sherlock Holmes geworden wäre, er nicht Darwin gewesen oder geblieben wäre…

Oder: Es ist bekannt, daß, wer denkt, auch ist, doch das cogito ergo sum bringt einen in Verlegenheiten, wenn man voreilig konzediert, Hamlet habe gedacht. Andererseits ist nur so über das Stück zu sprechen, worin dann außerdem ja wiederum ein Stück aufgeführt wird: Existiert Gonzago eigentlich für Hamlet? Kann eine fiktive Figur in „Gonzago bloß eine fiktive Gestalt” sehen?

Oder: Einhörner sind inexistent. Sind sie es, weil noch niemand ein Einhorn sah, weil also die Entität Einhorn bislang ohne Signifikat auskommen muß? Oder ist es so, daß Einhorn sich auf etwas bezieht, das u.a. dadurch definiert ist, daß es nicht vorkommt, womit das reale Einhorn ihm nur ähnlich wäre – wie ein „Tiger”, der aber „innerlich ein Reptil” wäre –, so aussähe, „wie dies Einhörner eigentlich tun sollten”, aber Einhorn und Einhorn zweierlei bleiben?

Einhorn, unicorn, … ist übrigens Übersetzung „Zitattilgung”?

So kommt man schließlich zur „Nichttrivialität von Identitätsaussagen”, etwa, wenn sie verwendet werden, um in der Folge wie beim Eingangswitz, der nicht von Kripke ist, etwas Unerwartetes zu sagen – Kripkes Exempel:

„A. »Ihr Ehemann ist nett zu ihr.«
B. »Er ist nett zu ihr, aber er ist nicht ihr Ehemann.«”

So…

Ist man da, wo man schon war? Das mag davon abhängen, wer man ist. Wenn man so etwas wie der richtige Leser ist (und dagegen ist ein Einhorn womöglich alltäglich, aber das ist eine andere Frage), wenn man jedenfalls bereit ist, sich sprachphilosophisch amüsieren und exorzieren zu lassen, dann ist man da schon ganz woanders – ein amüsantes Buch, aber auch ein ernstes und lehrreiches.

Saul A. Kripke · Uwe Voigt (Hg.)
Aufsätze aus »Philosophical Troubles«
Übersetzung: Uwe Voigt
Reclam
2017 · 352 Seiten · 14,80 Euro
ISBN:
978-3-15-019181-1

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