Wird es jemals wieder Tag?
In schneller Folge veröffentlicht man hierzulande Band um Band von Kate Tempest. Sie muss ihre Relevanz haben. Sie hat ihre Meriten und ihre Agenda. Aber hat sie wirklich diese Qualität auch in der deutschen Übersetzung, die ihr im Original zumindest in UK schon vieles aufgemacht hat? Weiß nicht..
Es ist schwer zu sagen, weil es prinzipiell nicht unsympathisch ist, was sie macht, zumindest in Let them eat Chaos, eine soziosprachliche Anamnese von bored-people-talk-at-4:18. Es geht um das Spiegeln einer Sprache, die so oder so ähnlich "von uns allen sein könnte", Leuten, die sich nach Aufruhr und Umwälzung sehnen, gegen ein überallgegenwärtiges Etwas, das böse ist und jeden einzelnen an etwas anderem hindert. Ganz schlicht. Geschickt arbeitet Tempest mit dem Vagen, dem Überlagern, theatertextartiger Schachtelung, Ausbrüchen von Pathos, von Philosophie oder scat-Gesang, wenn man so will. Da versteht jemand die Inszenierung. Aber was genau nun neu, speziell, besonders, erstaunlich, artistisch, gewagt, reizvoll, überraschend, spannend, witzig, fesselnd, bewusstseinserweiternd etc. daran ist? Weiß nicht..
Die Übersetzung (Johanna Davids), die sich bemüht, das eher einfach gehaltene, metaphernlose Sprechen von Tempests ProtagonistInnen zu übertragen, schlingert zwischen guten Passagen mit eigenem Charakter und fast blinden Tüten. (Des Öfteren werden da englische Worte mit anderen englischen Worten ins Deutsche "übersetzt". Es wird probiert, die Reime zu erhalten, dann wiederum selbiges verweigert, ohne dass eine Stringenz darin erkennbar wäre. Ghost wird prinzipiell Dämon, wohingegen Demon tatsächlich Gespenst wird.) Eine im besten Fall eben wetterwendige Übertragung ist das Resultat. Doch Schluss mit Nörgeln, Übersetzen ist schwierig und steht und fällt in jedem Fall mit dem angebotenen Original. Und hieran liegt es: es ist auch im Original nicht durchgehend kurssicher. Oft sacken die sogenannten Menschen in dümmliche oder pseudofrequente Sprachhülsen, denen man nicht anmerkt, dass Tempest irgendeinen wie auch immer gearteten Respekt für sie hegt. Sie benutzt sie lieber als pädagogische Modelle, die ungefähr so viel Repräsentation aufweisen wie Struwwelpeter. Ihrer gutgemeinten "Fabel" dieses quasi-Lehrgedichtes stehen sie nicht entgegen: wake up/ and love more. Das ist das Ende. Und das geht vielleicht in einem Audiotrack, und man fühlt sich selbst das gerne mitsingen, wenn es einen packt, aber hier in einem Gedichtband (das Ende ist der prinzipielle Tenor des ganzen Bandes), packt es einen eher selbst kalt und man fragt sich, wie ist das möglich?
Dabei gibt es in dem maulig und unterkühlt dargebotenen Text dennoch einige Stellen, an denen Tempests unbestritten großes Sprachtalent hervorblitzt. Immer dann, wenn sie sich auf das verlässt, was sie kann: FLOWEN. Sie kann Texte rasend schnell machen, wenn sie kurz und minimal mit Reimen (hidden rhymes etc. – jetzt müsste HipHop-Fachsprech einsetzen) jongliert. Dann werden die Worte zu Klang und komplexe, weiterreichende Verbindungen als love more ergeben sich von allein und vor allem zwischen den Zeilen. Es gibt einige Stellen, die interessante Tiefen aufweisen und sprachliches Neuland eingehen, genau dann, wenn sie es (vermutlich) nicht will und umgekehrt, wenn sie es (vermutlich) will, strandet das Schiff auf selbstbeschworenen Untiefen aus Konkreta mit Gemeindelebenshilfebezug.
There's a rainbow on that wheelie bin.
There's stickers in that window.Smart flats. Rough flats.
Can't get enough-cat flats,
you know, seventeen cat-flaps.
Rich flats, broke flats.
New flats.
Old flats.
Luxury bespoke flats.
And this-has-to-be-a-joke-flats.Ein Regenbogen auf der Restmülltonne.
Ein Fenster voller Sticker.Wohnungen gut geschnitten oder völlig verschlissen.
Oder voller Katzen,
so mit siebzehn Katzenklappen.
Reich oder pleite.
Frisch saniert
oder lang nix passiert.
Luxuriös mit Wunschausstattung
oder unseriös, komplette Verarschung.[...]
It's the
Boredofitall Generation
the product of product placement
and manipulation,
shoot'em up, brutal
duty of care,
come on! new shoes!
beautiful hair.Das ist die
Generation "Is' mir egal",
das Produkt von Product-Placement
und Manipulation,
stirb langsam, brutal
in der Verantwortung,
komm schon! Neue Schuhe!
Die Haare schön.[...]
Woops.
Dancing to a shit tune.
Hands in the air when it hits you.Woops.
I'm lying in my bed
and my brain is eating my head.Hoppla
Tanzen zu Scheißmusik.
Arme hoch, wenn sie dich kriegt.Hoppla.
Ich liege im Bett,
und mein Hirn frisst den Schädel weg.
Der Band will das Gute, bleibt aber letztlich farblos. Wofür wird hier eine Lanze genau gebrochen? Für Sprache nicht, für dichterischen Anspruch auch nicht. Es ist ein Rant, der vielleicht als coole Abschlussprüfung durchgeht, und vielleicht auch viele Menschen erreicht, die Refrains mitsingen und dann im Herzen liebend werden, wenn sie es nicht sowieso schon waren, aber sonst? Weiß nicht..
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