Notiz

Gertrud Kolmar Preis

Liebe Leser*innen,

er ist da. Unser erster Fixpoetry Lyrikpreis, den wir der Schriftstellerin Gertrud Kolmar widmen und den wir ausschließlich an Frauen richten.

Wo bleiben die Frauen? Ist mittlerweile eine häufig gestellte Frage, nicht nur im Redaktionsteam von Fixpoetry, sondern auch in einem größer werdenden Teil des Literaturbetriebs, den die bestehende Ungleichverteilung der Aufmerksamkeit zunehmend aufregt. Nicht nur wir vertreten die Auffassung, dass Kreativität keine Frage des Geschlechts ist und dass künstlerische Werke daher ohne Ansehen von Geschlecht wahrgenommen werden sollten. Unsere jahrelangen Erfahrungen zeigen allerdings, dass dies nach wie vor nicht so ist. Die Gründe für die fehlende Öffentlichkeit von Frauen sind vielfältig, liegen zum Teil daran, dass sowohl in den Verlagen als auch in den Feuilletons der Zeitungen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, Männer die Führungspositionen besetzen und darüber entscheiden, wer verlegt, für PR und besprechungswürdig erachtet wird. Dies setzt sich auch bei der Vergabe von Literaturpreisen fort. Wir beobachten seit Jahren, dass Preise häufiger Büchern oder dem Gesamtwerk von Männern als jenen/jenem von Frauen zuerkannt werden. Insbesondere die prestigeträchtigen, hochdotierten Preise sind eine Männerdomäne und werden Schriftstellern ungleich häufiger verliehen als Schriftstellerinnen.

Die kürzlich erschienene Studie des Deutschen Kulturrats „Frauen in Kultur und Medien“ zeigt noch einmal ausdrücklich, wie groß die Unterschiede – auch im Verdienst – sind. Im Kapitel zu literarischen Fördermaßnahmen zeigt die Studie an gleicher Stelle, dass Frauen nur zwischen ein Fünftel und einem Drittel der Begünstigten ausmachen. Im Verhältnis zum Anteil weiblicher Schriftstellerinnen werden weniger Bücher von Frauen in den Leitmedien rezensiert, zudem hält sich hartnäckig das Klischee der „Frauenliteratur“ in Bezug auf von Frauen verfasste Bücher.

Nach den Gründen für die Unterrepräsentation von Frauen als Preisträgerinnen zu forschen bleibt unergiebig. Zwar sind in den Jurys häufig mehr Männer als Frauen vertreten, aber auch paritätisch besetzten Entscheidungsgremien gelingt es offenbar nicht, ihren wertschätzenden Blick ausreichend oft auf das literarische Werk von Frauen zu richten. Auch im 21. Jahrhundert hat sich bislang an der von uns seit längerem beobachteten Geschlechterdiskrepanz bezüglich literarischen Schreibens und damit verbundener Auszeichnung wenig verändert. Wie als Bestätigung dieser so ärgerlichen wie üblichen Missachtung literarischer Werke von Autorinnen erweisen sich die Lyrikempfehlungen 2018,  die von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, der Stiftung Lyrik Kabinett und dem Haus für Poesie zur Leipziger Buchmesse veröffentlicht wurden und alle Gedichtbände berücksichtigte, die zwischen März 2017 und März 2018 erschienen sind. Die Jury war mit je 5 Jurorinnen und Juroren gendergerecht besetzt, allein das Ergebnis erstaunt Lyrikkundige einigermaßen: unter den 20 nominierten Büchern finden wir 14, die von Autoren geschrieben oder zusammengestellt wurden, und nur 6 von Autorinnen (30%).

Wir haben auf Fixpoetry im letzten Jahr zahlreiche neu erschienene Bücher von Lyrikerinnen besprochen und uns auch ausreichend Wissen angeeignet, um nun zu konstatieren: Da ist etwas faul im Lyrikbetrieb. Wir sind es mittlerweile leid, die zahlreichen, ewig gleichen Ausflüchte und Begründungen zu hören, warum im Jahr 2018 noch immer keine Gendergerechtigkeit bei Lyrikpreisvergaben herrscht. Allen voran steht das ewig gleiche Argument, dass es eben weniger bedeutende Werke und somit weniger auszeichnungswürdige Schriftstellerinnen gegeben hätte. Unsere Expertise im Bereich der Lyrik ist groß und im Lauf der Jahre exponentiell gewachsen, wir wissen, dass dem nicht so ist. Wenn wir auf Grund unserer Sachkenntnis darauf hinweisen, dass Frauen auch im Bereich der Literatur und insbesondere in jenem der Lyrik deutlich unterrepräsentiert sind, ernten wir zuweilen sogar ungläubiges Erstaunen, weil diese Tatsache zuvor nicht einmal wahrgenommen wurde, leider auch nicht oder nur äußerst selten von eigentlich informierten Frauen, die im Literaturbetrieb in oder nahe an Entscheidungspositionen sind.

Viele von uns haben immer wieder das bestehende Ungleichgewicht aufgezeigt und die Beachtung auch des Schaffens von Schriftstellerinnen eingemahnt. Wir wissen, dass es eine Vielzahl ausgezeichneter Lyrikerinnen aller Altersgruppen gibt, und finden, dass es im Jahr 2019 endlich Zeit ist, dem bestehenden Auszeichnungsgefälle zu Ungunsten von Frauen ein wirksames Zeichen entgegenzusetzen. Daher haben wir von Fixpoetry einen Lyrikpreis, der sich ausschließlich an weibliche Autorinnen richtet, ins Leben gerufen. Unser Ziel ist es, mit diesem neu geschaffenen Preis Lyrikerinnen und ihre Gedichte in den Fokus der Aufmerksamkeit zu rücken, nicht weil sie Frauen sind, sondern weil sie Urheberinnen großartiger Gedichte sind. Für uns bedeutet es keine Benachteiligung von Männern, wenn unser Preis das Werk von Frauen auszeichnet. Im Gegenteil: Es gab und gibt bislang eine grobe Benachteiligung von Frauen, nämlich die herrschende Praxis der Diskriminierung von Schriftstellerinnen, die diesen bei allen von uns seit Jahren beobachteten Preisvergaben deutlich weniger Chancen einräumt und ihr Werk nicht als gleichwertig und gleichberechtigt wahrzunehmen gewillt ist.

Herzlichen Dank allen, die am Förderkonzept mitgearbeitet haben, der Jury des Elbkulturfonds für das Votum und das Vertrauen in unser Projekt, Judith Sombray für Logo und Webdesign, Olaf Grabienski für die Webentwicklung, der fünfköpfigen Jury, die die Vergabe des Preises entscheiden wird und meiner Familie für Ihre Geduld. Und last but not least -  bin ich sehr gespannt und freue mich auf Ihre/Eure Einsendungen!

Julietta Fix
(Kuratorin Gertrud Kolmar Preis)

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