Super Hä
Wenig ist bekannt hierzulande über Svein Jarvoll, Norweger. Im Versteck im Verlag von Urs Engeler ist dieses Jahr, neben auszugsweiser Begleitung durch die Mütze, der ganze Roman Jarvolls Eine Australienreise erschienen. Was für ein Opus. Und man muss es in einem Atemzug sagen: was für eine Übersetzung. Matthias Friedrich wird dem Sprachmonster, im Original 1988 erschienen, tatsächlich gerecht. Ein Fall für Übersetzerauszeichnungen. Gerecht in dem Sinne, als dass hier wirklich alles vorliegt: alle Spiele, alle Exkurse, alle Sprachen, alle Dialekte, alle Zeichnungen und alles, alles, was Jarvoll sonst so eingefallen ist in seinem einzigen, postmodernen Meisterroman. In großem Heftformat mit wahnwitzigen engen zwei Spalten je Seite, macht vier absatzlose streams of mightyconsciousness, die sich dann wiederum in Dramen, Listen und Ulysses-bekannte typographische Experimente begeben, kommt das Buch daher, von zwei Seiten lesbar, comme il faut, mit einem "dort", endend. Die Frage nach den Mitteln und dem Zweck stellt sich hier nicht, zu groß ist der Raum, der aufgemacht wird. Vielleicht um einen alten Vergleich zu bemühen: vor dem Buchdruck war die gotische Kathedrale das maximal gesammelte komplexe Wissen im (übergroßen) Format – hier bei Jarvoll ist es etwas anderes, aber als Lesender fühlt es sich irgendwie vergleichbar an. Was an Spezialreferenzen und Scherzen, analogen Verlinkungen und Fälschungen da auf einen einprasselt, ist wie für Aliens verfasst. Und trotzdem ist es nicht unzugänglich. Vieles muss man akzeptieren, sich durchpirschen, oder springen oder sonstwelche Lesetaktiken aufwenden, um dranzubleiben, anderes wiederum, natürlich variierend von Zeile zu Zeile, hört sich an wie das Größte überhaupt. Saukomisch, clever und von tiefster Melancholie durchzogen. Stets äußerst präzise, Sprache frisst. Die Orte und die Personen um Mark Stoller, M und S, die beiden Kapitelleserichtungen, und Emmi, die Australierin sind irgendwo zwischen Totentanz und Goretex angesiedelt. Selbstredend alles Nerds. Allerdings, und das ist Jarvolls/ Friedrichs große Kunst, der Ton wandelt sich permanent, die Sprache ist jeweils genaues Abbild von dem, was sie erzählt. Trotz aller Eskapaden und diesem Australien, das eigentlich als vermeintliche Erfindung durchgeht, findet die Progression statt, und Mark und Emmi und Alice laufen zu einem Zeitpunkt durch Wüste mit aboriginalen Namen, natürlich lesend beim Pause machen in einer Hütte, die zufällig sehr spezielle Bücher versteckt hält. Mark, von dem es heißt: "er dachte heftig, heftiger hat niemand je gedacht", kommt nie an und war nie los. Unser Ende ist Lesen. Man muss es vor sich haben, in genau der Gestalt. Wunderschön, rätselhaft, fordernd. Die Ausschnitte aus der Mütze sind da eher wie Kiplings Elefant. Was hat Jarvoll noch so geschrieben?
Fixpoetry 2018
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Fixpoetry.com und der Urheber
Dieser Artikel ist ausschließlich für den privaten Gebrauch bestimmt. Sie dürfen den Artikel jedoch gerne verlinken. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Neuen Kommentar schreiben