Lesart
Leopold F. G. von Goeckingk* 1748† 1828

Die Parforce-Jagd

Der Hofjäger-Meister.

Da kommen Seine Durchlaucht!
Paßt auf, ihr Herren! Schaut da!
Wie's um den fliegenden Phaeton raucht!
Die Hörner! die Hörner! der Wagen ist nah!

Die Hörner.

Trarara! trarara!

Erster Piqueur.

Der Vierzehnen er ist gestellt;
Stark ist er und auch schlau;
Doch, brave Hund', euch überfällt,
Nicht wahr? nicht Furcht, noch Grau?

Die Hunde.

Hauhauhau! Hauhauhau!

Zweiter Piqueur.

Schnell bist du, Hirsch, schnell wie der Wind;
Entflieh du denn, entflieh!
Den Pferden, die noch schneller sind,
Entrinnst du dennoch nie!

Die Pferde.

Hihihihihi, Hihihi!

Chor der Jäger.

Hervor aus deinem Dickigt nun!
Hervor auf's flache Feld!
Nicht Mann, noch Roß, noch Hund wird ruhn,
Bis dir dein Schweiß entquellt!

Seht da! dort ist er schon! seht da!
Wie fliegt er wild voran!
Fort über Stock und Stein! Sa sa!
Rasch, rasch! was folgen kann!

Ein Jagdjunker.

Zum Teufel! So 'n verdammter Streich!
Zerfetzt mir der verfluchte Zweig
Das Gesicht, daß das Feuer aus den Augen mir stiebt!
Das wird nun schön im Spiegel lassen!
Und, Blitz! die Fürstin wird mich hassen,
Wie sie mich sonst geliebt!

Ein Bauer.

Jesus Maria! was ist das?
Ach weh! mein schön Getreide,
Und meiner Wiese langes Gras!
Da seht mir nun mal beide!
Wer gibt für mich nun Martinshahn,
Zinßkorn und Steuer? Keiner!
Der gnäd'ge Fürst hat das gethan?
Ach Gott! erbarm' sich meiner!

Ein Reitknecht.

Hundsfött'scher Bauer, halt das Maul!
Um solchen Ouark solch' Lärmen anzufangen?
Ihr Lumpenpack seyd so so faul:
Wär' ich der Fürst: Ich ließ euch alle hangen.

Ein Piqueur.

Herr Jemine! mein Arm, mein Arm!
Zu Hülfe! ach! daß Gott erbarm'! –
Stürzt mir die Schindermähre! –
Daß doch der Fürst mit seiner Jagd
Zu allen Teufeln wäre!

Der Fürst.

(Im Vorbeijagen).

Was gibt's? Was ist da für Geschrei?
Was fehlt ihm? Nahm er Schaden?

Der Piqueur.

Ach! halten Ihro Durchlaucht zu Gnaden:
Mein Arm ist morsch entzwei.

Der Fürst.

(Im Wegreiten).

Sag' er's dem Hofchirurgus nur!

(Zum Hofjägermeister.)

Nun! reis't er ab, so reis't er! –
Doch, Herr Hofjäger-Meister!
Wie hält's? Wir sind wohl von de Spur?

Ein Jäger.

(Bei einem verwundeten Hunde.)

Lieber Picas! lieber, guter Hund!
Ach! wie schmerzt mich dein Gewimmer!
Bist so blutig, bist so wund?
Wär' ich lieber todt und du gesund!
Warest unter allen, immer
Mein getreuster, bester Hund! –
Ach! wie schmerzt mich dein Gewimmer!
Auf dem ganzen Erdenrund'
War, wie du, kein Läufer, und
Kein so guter Fänger oder Schwimmer.
Lieber Picas! lieber, guter Hund!
Ach! wie schmerzt mich dein Gewimmer!

Ein Piqueur.

(Zu den Hunden.)

Halloh! Halloh! Wie steht ihr da?
Huhlah! Hetz! Hetz! Huhlah! Huhla!
Faß, faß ihn, Sirius!
Huß, Herkules, huß, huß!

Chor der Jäger.

Sa, sa! der Hirsch ist rund umstellt,
Und matt bis in den Tod;
Sein Schweiß, der tröpfelnd niederfällt,
Färbt schwarzen Boden roth.

Ein junger Prinz.

Gebt ihm den Fang, und endet doch
Des armen Thieres Qual.

Der erste Piqueur.

Auf! hast du Muth, so wehre noch
Dich gegen diesen Stahl!

Chor der Jäger.

Da stürzt er! und zappelt, und schlägt
Die Erde mit seinem Geweih'!
Herbei nun, ihr Hunde, herbei!
Verschlinget die Beute, da liegt sie zerlegt!

Schluß-Chor.

Es leb' unser gnädigster Landesfürst hoch!
Der sanfte Menschenfreund!

Die Hörner.

Trarara! trarara!

Chor.

Es lebe, wer heut mit uns zog!
Es sterbe unsrer Jagden Feind,
Wie unsre Beute da!

Die Hörner.

Trarara! trarara!

Das Blut aus Maul und Nüstern

Ein Schelm, wer beim Lesen dieses alten Gedichtes denkt, die Parforcejagd eines Ministers auf seinen Pressesprecher, der nicht schnell genug – die vom Minister zu verantwortende – Umarbeitung und Verteilung von Statistiken und Tabellen für eine Pressekonferenz schafft, sei nichts anderes als praktizierte ´deutsche Leitkultur´.
Wie dem Parforcegejagten zumute ist, das haben zwei Zeitgenossen und Freunde Goeckings, Gottfried August Bürger und Matthias Claudius, zornig ´untertänigst´ an die ´durchlauchtige´ Obrigkeit vermeldet.

Matthias Claudius
Schreiben eines parforcegejagten Hirschen an den Fürsten, der ihn parforcegejagt hatte.
Durchlauchtiger Fürst,
Gnädigster Fürst und Herr!
Ich habe heute die Gnade gehabt, von Ew. Hochfürstlichen Durchlaucht parforcegejagt zu werden; bitte aber untertänigst, daß Sie gnädigst geruhen, mich künftig damit zu verschonen. Ew. Hochfürstl. Durchl. sollten nur einmal parforcegejagt sein, so würden Sie meine Bitte nicht unbillig finden. Ich liege hier und mag meinen Kopf nicht aufheben, und das Blut läuft mir aus Maul und Nüstern. Wie können Ihr Durchlaucht es doch übers Herz bringen, ein armes unschuldiges Tier, das sich von Gras und Kräutern nährt, zu Tode zu jagen? Lassen Sie mich lieber tot schießen, so bin ich kurz und gut davon. Noch einmal, es kann sein, daß Ew. Durchlaucht ein Vergnügen an dem Parforcejagen haben; wenn Sie aber wüßten, wie mir noch das Herz schlägt, Sie täten's gewiß nicht wieder, der ich die Ehre habe zu sein mit Gut und Blut bis in den Tod etc. etc.
 

Gottfried August Bürger
Der Bauer
An seinen Durchlauchtigen Tyrannen

    Wer bist du, Fürst, daß ohne Scheu
            Zerrollen mich dein Wagenrad,
    Zerschlagen darf dein Roß?

    Wer bist du, Fürst, daß in mein Fleisch
            Dein Freund, dein Jagdhund, ungebläut
    Darf Klau' und Rachen hau'n?

    Wer bist du, daß, durch Saat und Forst,
            Das Hurra deiner Jagd mich treibt,
    Entatmet, wie das Wild? -

    Die Saat, so deine Jagd zertritt,
            Was Roß, und Hund, und Du verschlingst,
    Das Brot, du Fürst, ist mein.

    Du Fürst hast nicht, bei Egg' und Pflug,
            Hast nicht den Erntetag durchschwitzt.
    Mein, mein ist Fleiß und Brot! -

    Ha! du wärst Obrigkeit von Gott?
            Gott spendet Segen aus; du raubst!
    Du nicht von Gott, Tyrann!

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