Vom klugen Sprechen der Zeit
Schon lange wurde nicht mehr so engagiert über die Lage der deutschen Sprache gestritten. Viele der Sorgen sind keineswegs neu, aber sie werden seit einigen Jahren mit neuer Dringlichkeit öffentlich vorgetragen: Die deutsche Sprache verfalle zusehends, ihr reicher Wortschatz und ihre Grammatik verarmten, und im internationalen Wettbewerb sei das Deutsche längst ins Hintertreffen geraten, während Anglizismen sich in unserer Sprache ausbreiteten – so lauten einige der Alarmmeldungen. Doch wie ist es tatsächlich um Reichtum und Armut der deutschen Sprache bestellt? Welche Sorgen sind begründet, welche nicht?
Vier Jahre hat die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung gemeinsam mit der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften einen «ersten Bericht zur Lage der deutschen Sprache» erarbeitet, der jetzt erschienen ist und Berlin vorgestellt wurde: Reichtum und Armut der deutschen Sprache und die Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen zu vier Themengebieten vorlegte, die in unterschiedlicher Weise die Debatten bestimmt haben: Wortschatz, Anglizismen, Flexion und Nominalstil.
„Einzig im Gespräch zwischen Ludwig Eichinger und Hans-Martin Gauger wurden auch einige Verluste bilanziert, das Schwinden des Dativ-e etwa oder der Rückgang des Konjunktivs. Aber auch diese Fälle wurden weniger als Einbussen denn als Resultat zeitgemässen «klugen» Sprechens erläutert. Wolfgang Klein pries den immens angewachsenen Wortschatz des Deutschen als Reichtum. Die Leistungsfähigkeit einer Sprache, so sein Kriterium, bemesse sich nicht nach ihrer Grammatik (diese werde bei «allen Kultursprachen» immer einfacher), sondern danach, mit vielen Wörtern viel sagen zu können. Sprachkritik sei möglich, jedoch stets nur am Gebrauch, nie am System. Der Bericht behandelt übrigens nur die geschriebene Standardsprache, das Mündliche bleibt unberücksichtigt.“ Joachim Güntner in der NZZ.
Neuen Kommentar schreiben