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Komm! Ins Offene haus für poesie
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Komm! Ins Offene haus für poesie
Kritik

Leichte Schauer

Hamburg

Die Poet Nummer 16 hat etwas vom Duschen mit unzuverlässiger Warmwasserversorgung, man steht, hat sich mit Jan Wagner schön eingeseift, die Haare mit Frau Benraths Emiliy-Projekt fröhlich pfeifend aufgeschäumt, da kühlt es sich schon, man dreht den Hahn weiter, hofft auf heiß, wenigstens warm, umsonst, die Stimmung kippt ins Eisige. Schon wieder Eulen? Schon wieder Mücken, Bienen, Anemonen? Steh ich denn im Wald oder auf einer Blümchenwiese? Verflucht nochmal, es ist das kalte Grausen, was mich manchmal packt, der ich heimlich Lyrik andrer Länder lese, gibt es denn für deutsche Dichter nichts Bedichtbares mehr, was mit dem echten Leben zu tun hat, kann es sein, dass das Feuilleton mit seinem forschen Weltmarkt-Führerschafts-Urteil über die deutsche Lyrik irrt? Ich finde nur hochnäsige Naturartisten, verkopfte Fluchtpoesie, ein Sammelsurium aus Melancholie und gefühliger Besinnlichkeit in Locken gedreht?

So bin ich, wenn ich nackt im kalten Regen stehe, Studioregen, imaginierter Regen. Brutalstmögliche Aufklärung.

Immerhin Drawert zerrt seine zehn Güterwaggons Kunstbeflissenheit übers Schotterbett, Gleise wären anderswo, auch er schmückt sich mit der alltäglich gewordenen Rinckifizierung ‚mit neuen, recht schönen Heimat- und Naturgedichten‘, aber immerhin spürt man Engagement, den Anhauch von Willen. Der Rest: Enklavenpoesie, regelkonform, eine Art Gotteslob der kunstvollen Belanglosigkeit. Das durchzieht ebenso die schlicht schwache Prosa, die klug-belesen Staatstragenden Statements im Interview-Teil zum Thema Rausch, es ist zum Haare raufen: wir leben nicht in der der Neo-Romantik, das ist Neo-Biedermeier!

Es gibt einen Block griechischer Dichter aus Jan Kuhlbrodts umfangreicher Arbeit auf der Poetenladen-Homepage, der ins Heft aufgenommen wurde, ein Lichtblick? Leider nein, ich muss gestehen, ich hätte ohne die exotischen Namen den Unterschied zu den deutschen Meistern nicht gemerkt.

Aber dann: Poet, ich liebe dich, es sprotzt, es dampft, die Mittelamerikaner kommen und bei denen, glaube ich, gibt es kein Vertun. Das ist ein anderer Ton, eine andere Emotion und Power, vielleicht nur eine andere – und übrigens gar nicht so kleine – Auswahl u.a. aus Honduras, Guatemala, Nicaragua, das mag sein, jedenfalls werde ich diese Nummer 16 immer wieder rauskramen, zur seelischen Reinigung und Erwärmung, wenn mich die Kälte der deutschen Welt wieder eingeseift überfällt.

Und was ist mit den glücklichen Herzen?
Ich bin mir sicher, es gibt sie
Denn ich habe glückliche Männer gesehen
die mit einer telefonierten, die ihre Liebe erwiderte
Man kann es daran erkennen, wie sie
Das iPhone halten
Sweetheart
Mon amour
Verrückte Maus
Principessa
Du scharfes Kätzchen
Sie sprechen ganz zärtlich mit ihnen
Sie sprechen ganz zärtlich mit ihnen
Sie sprechen ganz zärtlich mit ihnen

(Aus Juan Dicent: Why do poets love to write about broken hearts?,  übersetzt von Timo Berger)

Andreas Heidtmann (Hg.)
Poet Nr. 16
Literaturmagazin
poetenladen
2014 · 240 Seiten · 9,80 Euro
ISBN:
978-3-940691-51-4

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