Zugebuche aus Tielenhemme
Sarah Kirsch 1972 in ihrer Wohnung im Prenzlauer Berg. Foto: Roger Melis/Lehmstedt
Lucy Fricke heute in der taz über die aus dem Nachlass der im Mai 2013 verstorbenen Sarah Kirsch jetzt bei DVA veröffentlichten Tagebuch- Aufzeichnungen aus den Monaten September 2002 bis März 2003:
„Tagebücher von Autoren sind keine Tagebücher, es ist bloß ein anderes Genre, in dem sie schreiben. Wer Tagebücher schreibt mit dem Wissen um die spätere Veröffentlichung, möchte vieles loswerden und vieles geheim halten. Es geht darum, die Kontrolle zu bewahren über das Bild, das bleiben wird. Jedoch liegt in der Kontrolle immer die Gefahr der Langeweile, und diese zu bannen gelingt auch Sarah Kirsch nicht vollständig.
Vielleicht liegt es am Fehlen des Persönlichen, der Fragen, Zweifel und Erinnerungen. Vielleicht liegt es sogar am Ton. Der einzigartige Kirsch-Ton. Poetisch, rau, die (Ab-)Wendung ins Komische. Man hat das alles in ihren Büchern schon gelesen, genauso, manchmal Wort für Wort.
Ein andere Dichterin, Elke Erb, sagte einmal: "Wer seinen Ton gefunden hat, fängt an, sich selbst zu kopieren."
Sarah Kirsch versteckt sich fast hinter ihrer Sprache, es ist das Sprachprinzip Kirsch, das sie meisterhaft beherrscht. Das darf und soll so sein, doch damit allein lässt sich das Genre Tagebuch nicht behaupten. In einem der knappen Gedichte, die der Band enthält, heißt es:
"Erinnere oh erinnere
Dich was du
Vergessen wolltest."
Sarah Kirsch: "Juninovember". DVA, München 2014
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