Von der Überlegenheit des Wassers
Bereits der Debütroman John von Düffels, vor mittlerweile vierzehn Jahren erschienen, trug das Wasser im Titel, und seitdem ist von Düffel nie wirklich von diesem Element losgekommen. In den Wassererzählungen widmet er sich von erneut seinem Lieblingselement. In einem Interview erzählte John von Düffel, der leidenschaftlicher Schwimmer ist, ihn fasziniere der Blick, den man vom Wasser aus auf das Feste wirft, und was die Menschen spiegeln, wenn sie aufs Wasser schauen, oder sich im Wasser befinden.
Die erste der Wassererzählungen, beginnt mit einer Hymne auf die Kälte. Von Düffel findet ungewöhnliche Bilder für seine Liebe zum Wasser, wenn er die dünne Eisschicht über dem See zu einem Fell werden lässt, das man streicheln kann. In allen Geschichten geht es um Überwindung, um Gegensätze, den Widerstreit zwischen Körper und Geist, aber auch um die Durchlässigkeit. In der ersten Geschichte, die den Titel „Ostsee trägt, insbesondere um die Durchlässigkeit von Grenzen, körperlichen und politischen Grenzen. Darüber hinaus ist das, was in dieser Geschichte über das Verhältnis von Meer und Schwimmer gesagt wird, eine Analogie zum Verhältnis von Autor und Schrift.
„Der Mann steht einfach da und sieht dem Verschwinden zu.“
Auch in der Geschichte um den „Schwarzen Pool“ geht es um die Notwendigkeit loszulassen. Als der Protagonist aus dieser Geschichte das aus seinem Lebensraum entführte Wesen wieder zurückbringt, hat er wie noch nie in seinem Leben das Gefühl, das Richtige zu tun.
„Die Vorschwimmerin“ ist hingegen ein reiner Dialog. Ein Dialog über Reinigung und die Macht des Glaubens.
In manchen Geschichten spielt das Wasser in Form von Regen eine Rolle. So für „Die Frau am Fenster.“
Wie eine stille Wasseroberfläche spiegelt von Düffel in seinen Geschichten die Schicksale; das nur beobachtete Unglück des Schülers mit dem offenbar sehr virulenten Unglück des Lehrers in der Erzählung „Moorleiche“. Mehrere Telefonate zwischen der zu Hause gebliebenen Mutter und dem Wochenendvater, der eine Kreuzfahrt mit seiner pubertierenden Tochter unternimmt, dienen von Düffel um Kritik an der weit verbreiteten konsumorientierten Erwartungshaltung zu üben.
In der Geschichte „Die Trauerrednerin“ verwebt von Düffel das Leben mit dem Tod und die Rettung vor dem Tod mit der Rettung durch den Tod. Ein hundehassender Vater wird für seinen Sohn zum apportierenden Hund, immer wieder bringt er den von Wut und Angst gesättigten Stock zu seinem Sohn, der ihn Mal für Mal ein wenig weiter fort wirft. Eine Geschichte voller Körperlichkeit, in allen entgegengesetzten und sich schließlich doch versöhnenden Ausprägungen.
Immer wieder geht es um das Verhältnis der Generationen zueinander, Kinder und Eltern treten sich in der Unmöglichkeit einander zu verstehen gegenüber. Konflikte und Verletzungen werden durchgespielt und am oder im Wasser ausgefochten. In der vielleicht poetischten, letzten Geschichte, geht es ganz offen erkennbar um Verrat. Aber bereits in den anderen Geschichten war dieses Motiv anwesend, wenn auch versteckter, subtiler. Aber nicht weniger wirksam. Gleichzeitig endet diese letzte Erzählung in einem anderen Element als dem Wasser. „Sie schwingen sich auf und verlieren sich nach und nach in den Lüften und dem leuchtenden Grau der Dämmerung“, heißt es da, und das ist durchaus ein Trost.
Von Düffel zieht in seinen Wassererzählungen alle Register seines Könnens. Vom Dialog, über den als Telefonat getarnten Monolog, von sehr realistischen zu mystisch angehauchten Geschichten über kurze dramatische Szenen reicht die Formvielfalt seiner Auseinandersetzung mit dem Wasser.
Im Kern jedoch handeln alle Geschichten von der Vergeblichkeit. Davon, wie man sich immer wieder verfehlt, wie das Glück an den Menschen abperlt wie Wasser.
Es sind traurige Geschichten, voller Sehnsucht, die häufig von Trennungen erzählen. Jede Geschichte weiß um die Gefangenschaft des Menschen in sich selbst, von dieser bewegungslosen Vereinzelung, die das Wasser vermutlich nicht kennt.
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