Fix Zone

Noch irgendwo ein Irgendwie?

Redaktion: 

Die heilige Johanna der Schlachthöfe - Foto: Gianmarco Bresadola, 2013

Seit einem Jahr am Start: Brechts heilige Johanna der Schlachthöfe – es gibt nur noch zwei letzte Termine im Januar 2015 für diese Inszenierung von Peter Kleinert  in der Berliner Schaubühne.

Chicago 1932. Unter den Fleischkönigen der Stadt tobt ein erbitterter Machtkampf. Spekulationen treiben den Preis erst in den Keller und, als schließlich alle verkauft haben, in unermessliche Höhen: Pierpont Mauler hat Insiderinformationen und manipuliert emsig Marktgeschehen, Konkurrenten und den Aktienpreis – auf dem Rücken der Schlachthofarbeiter, Angestellten und kleinen Anteilseigner. Schon drohen Schließungen, Arbeitslosigkeit und Hungersnöte unter den Arbeitern und Kleinbürgern. Johanna Dark, die zusammen mit den »Schwarzen Strohhüten« Hilfe, Mitleid und Barmherzigkeit vertritt, ist entrüstet – sie glaubt an das Gute in jedem Menschen, meint, in der Armut die Ursache des Elends der Arbeiter zu erkennen und sagt den Verhältnissen den Kampf an. Sie wird von einem System aufgerieben, das noch jeden Widerstand durch den Fleischwolf dreht und zu guter Letzt als eigenen Profit wieder ausspuckt.

Brecht schrieb das Stück 1932 vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise, verwandte Schillers »Jungfrau von Orléans« als Kontrastfolie und Reibungsfläche und ließ seine Beschäftigung mit Marx‹ »Kapital« einfließen. Peter Kleinert inszeniert Brechts Drama um Gerechtigkeitsstreben, Profitsystem und den Einzelnen im Kampf für das Gute und gegen das System mit einem Ensemble von jungen Schauspielstudierenden der Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch«.

„Aus dem Brecht’schen Blues ist in Berlin 2013/14 ein Rap des Sowohl-als-auch geworden (Sebastian Fuchs im Zusammenspiel mit einer von ihm so bezeichneten Effekt-Maschine als Takt- und Soundgeber). Das lyrische Sentiment des Blues wird in Kleinerts Inszenierung durch wabernden Sprech-Gesang ins Gestern zurückgedrängt. Selbstverachtende Ironie dominiert. Niemand ist zu trauen. Verlässliches Vertrauen, nirgends. Alles geht irgendwie noch, aber eigentlich auch nicht wirklich.

Das phantasierte Gutmenschentum hat in der Inszenierung mit der heiligen Johanna eine exotische, eine wie von einem anderen Stern kommende  Bürgin gefunden. Migrationshintergründigkeit durch die Seitentür: Mariananda Schempp, 1990 in Lima geboren, spielt die Johanna  als blauäugige, naiv hoffende Unschuld. Eingezwängt  zwischen einem diffusen Glauben an das Gute im Menschen und einer Ohnmachtserfahrung angesichts gefühlloser, omnipräsenten Ökonomieeffizienz, ist sie Protagonistin ihrer selbst.“ Peter E. Rytz gestern auf seinem Blog.

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