… nur stückweise da …
Unter dem Titel Die Frage der Kritik im Interferenzfeld von Literatur und Philosophie unter der Perspektive von Hermeneutik, Kritischer Theorie und Dekonstruktion und darüber hinaus – so ist das mutmaßliche Anliegen geradezu knallig auf den Punkt gebracht, dabei aber spätestens mit der Schlusswendung „darüber hinaus“ auch schier demutsvoll – haben Ulrich Wergin und einige Mitstreiter einen Sammelband hervorgebracht, der nach einem Vorwort, das Hoffnung macht, werden hier doch geistvoll Fr. Schlegel und dann bald Blumenberg zitiert, recht konsequent enttäuscht.
Ausgehend von der Schlegel’schen Wendung, wonach im vereinzelten Exemplar Mensch das, was Mensch meine, nur fragmentarisch gegeben sei, wird auf Blumenbergs Überlegung verwiesen, wonach diese Vereinzelung qua (1) Kollektiv und (2) Methode (sozusagen: ein impliziertes Kollektiv) überwunden werden könne; und schon verfahren die Beteiligten ganz nach dem bösen Verdacht Adornos, ein Deutscher sei ein Mensch, der keine Lüge aussprechen kann, ohne sie selbst zu glauben. Schlegels Ironie – nicht gewürdigt; Blumenbergs Gratwanderung, zwar einerseits der Ironie nicht letztlich das Bemühen um so etwas wie Methodik zu opfern, aber andererseits auch nicht einer Methode quasi zu erliegen – geradezu angestrengt ignoriert. Sonst ließe sich das Kollektiv, welches intertextuell sich ergeben möge, nicht derart aufblasen.
In der Folge gibt es aber nicht nur diese Theorie-Unbedarftheit, die sich besonders apart ausnimmt, wo Derrida, Foucault und Adorno um die Wette zitiert werden, sondern auch
- Text-Redundanzen (etwa S.48 und 51),
- fahrlässig übersehene Interferenzfelder (wenn Hilbigs Rede von „vollkommen übersetzbaren Büchern“ nicht mit Benjamin bedacht wird),
- veraltete Quellen (gerade bei Celan wird neben der Edition meist Sekundärliteratur der 70er bemüht),
- absurde Spannungsbögen (das „Einhorn“ bei Celan wird, ehe auf den längst bekannten Freund Celans – der Briefwechsel der beiden liegt vor, wird aber nicht erwähnt – eingegangen wird, wortreich als exegetisches Mysterium referiert…) und
- die vollendete Unterbietung des Ansatzes, wenn das so pathetisch beschworene Kollektiv etwas ist, worin – strukturell – der Chef das letzte Wort hat; gerade jene Einhorn-Frage bricht nämlich ab, nach einem Verweis auf Wiedemann, deren Argumente ungenannt bleiben und schon gar nicht diskutiert werden, sowie folgendem Verweis des Postdoktoranden:
„Martin Schierbaum und Ulrich Wergin (das sind die Herausgeber des Bandes, M.H.) sahen in Gesprächen hierzu keine solche Notwendigkeit, deshalb lasse ich die Frage dahingestellt sein.“ (141, FN 26)
Fazit: Ich hatte mir dem barocken Titel zum Trotz eine spannende Lektüre erhofft. Ich wurde über weite Strecken eines Schlechteren belehrt…
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