7 Fragen an Jo Lendle
1 Welche Verlegenheit kennt der Verleger?
Scherzfragen.
2 Was war die ungewöhnlichste Art, wie ein Autor/eine Autorin zu Ihrem Verlag kam?
Einmal rief eine Autorin an, um mir aus dem Manuskript eines Unbekannten vorzulesen, das ihr eben in die Hände gefallen war. Am Ende des Absatzes bat ich sie, weiterzulesen. Sie fuhr fort, unterbrach sich ab und zu, aber jedes Mal waren wir uns einig, noch nicht genug zu haben. Also las sie die ganze Erzählung. In die anschließende Stille hinein gestanden wir uns ein, dass wir ihn beide wollten. Kurzes Gerangel am Telefon, dann fand sich eine Lösung. Sie hat heute ein Kind mit ihm und ich habe einige gemeinsam publizierte Bücher.
3 Das neue Akzente-Heft hat als Thema 'Unmögliches'. Wie verhält sich das Unmögliche in der Literatur zur Wahrscheinlichkeit? Wie unwahrscheinlich darf das Unmögliche sein?
Fiction ist ihrem Wesen nach fiktiv. In der Regel verbirgt sich die Literatur unter dem Mantel der Wahrscheinlichkeit und lugt nur für Momente darunter hervor. Das Besondere bei der Arbeit am neuen Heft war es, gerade solche Schreibweisen zu finden, die diese Bemäntelung von sich werfen und voll auf Unwahrscheinlichkeit setzen. Das wird bisweilen waghalsig. Aber dafür lieben wir sie ja, die Literatur.
4 Wenn man das literarische Schreiben mittlerweile auch studieren kann, kann man auch das Verlegen studieren?
Ebenso gut oder schlecht wie das Schreiben, auch wenn es bei keiner Universität auf dem Klingelschild steht. Letztlich geht es hier wie dort darum, Gespür zu entwickeln – für Gassen wie für Sackgassen.
5 Welche Figur des Verlegers fasziniert Sie in Romanen? (Gibt es eine?)
Mir fallen nur Abziehbilder ein. Womöglich ist der Verleger eine durch und durch undurchdringliche Figur. Schön wärs. Der blinde Fleck der Literatur, der ungeprüfte Prüfstein. Vielleicht sollte man Verlegern ohnehin eher in ihren Briefwechseln begegnen als im Roman.
6 Wie gestaltet sich für Sie das Schreiben mit den Autoren - wird all Ihre elektronische Korrespondenz vom Sekretariat archiviert, für spätere Buchausgaben von E-mails?
Ich fürchte, wir werden uns auf eine Zukunft voll langer, einsamer Winterabende ganz ohne Autoren-Verleger-Briefwechsel einstellen müssen. So unerträglich es klingt.
7 Sie sind selbst auch als Übersetzer tätig. In welcher Ihnen fremden Sprache würden Sie gern lesen und schreiben, und warum? Vermissen Sie etwas im Deutschen?
Als Junge lernte ich Friedrich Rückerts schönen Satz: „Mit jeder Sprache mehr, die du erlernst, befreist du einen bis daher in dir gebundnen Geist.“ Es hat Jahre gedauert, bis ich den Reim darin entdeckte. Ich würde gerne allerlei Geister befreien, zum Beispiel den chinesischen. Ich habe mal ein Jahr lang angefangen, die Schriftzeichen zu lernen, aber das befreite gleich eine solche Unmenge von Geistern, dass ich aufhören musste.
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