Literarische Selbstgespräche

Von und mit Marco Grosse

... es gibt ein Buch, was es noch gar nicht gibt ...

Marco Grosse und Galya Popova

Tja. Um jetzt auf eine Frage ohne Frage zu antworten, müsste ich eigentlich eine Antwort ausschweigen. Denn nur dann würde sie der Fülle der Fragen gerecht, die in dieser Frage beinhaltet sind. Aber da wir das ja ein bisschen eingrenzen wollen auf meine Arbeit mit Galya Popova zusammen, ist es dann wenigstens etwas konkretisiert und es würde ja sonst auch nicht einem Interview gerecht, wo wir doch etwas auf Papier bringen müssen, oder zumindest ein Resultat, was fassbar ist, haben müssen.

Galya Popova „Summer”, 2013

Ja, meine Arbeit mit Galya. Zuerst, es gibt ein Buch, was es noch nicht gibt, also es ist noch nicht erschienen. Das heißt Metamorphosen und wir haben daran zusammen gearbeitet, und zwar parallel. Ich denke symbiotisch wäre auch nicht der richtige Begriff, sondern wir haben wirklich aus einer gemeinsamen Quelle geschöpft. Und es ist ein Buch, wo man, denke ich, es spürt, dass wir diese gemeinsame Inspiration hatten, als ob wir praktisch zusammen als eins am gleichen arbeiten. Die Illustrationen von Galya werden dreidimensional sein, und wir wollten, um das zu vervollständigen und den Kreis zu schließen, die Texte in drei Sprachen veröffentlichen. Also meine Sprachen: Italienisch und Deutsch und in ihrer Sprache, auf Russisch. Wir haben einen Verlag und hoffen, dass das Buch bald erscheinen wird.

Galya Popova, in: Die Grenze liegt am Horizont

Und da diese Arbeit so wunderbar war, haben wir dann beschlossen, kleine Miniaturen in Die Grenze liegt am Horizont einzufügen. Das Buch war eigentlich schon fertig, hätte gedruckt werden sollen, aber dann haben wir es noch einmal zurück gerufen und Galya hat diese kleinen Bilder angefertigt. Und sie hat auf die Texte so essentiell und beeindruckend reagiert, dass diese Miniaturen, die am Anfang jeder Erzählung stehen, wie ein Notenschlüssel zu dem Text fungieren. An ihnen lässt sich schon ablesen, wohin die Reise führt.

Galya Popova, in: Die Grenze liegt am Horizont

Nach Die Grenze liegt am Horizont haben wir angefangen zusammen eine eigene Künstlerbuchreihe zu kreieren. Und diesmal war das auch so, dass die Texte schon vorher da waren. Ich habe zuerst die Gedichte geschrieben und dann hat sie darauf mit einem Druck reagiert. Das ist eine Reihe die sehr streng limitiert ist, auf zwanzig, dreißig Exemplare maximal. Und da ist wirklich auch alles per Hand gemacht. Vom Druck, meistens Linoldrucke, bis zur Bindung, und ich Tippe die Texte dann selber per Hand auf einer Olympia-Monika Schreibmaschine, die von meinem Vater ist. Das ist die gleiche Schreibmaschine, auf der die Diplomatenpost erledigt wurde.

Künstlerbuch Marco Grosse: Ewige Müdigkeit, Drucke: Galya Popova

Bei unserer Künstlerbuchreihe ist es für mich immer sehr interessant zu sehen, wie Galya mit ihren Drucken auf meine Gedichte reagiert. Es gibt aber auch Gedichte von mir, die auf gleiche Weise auf Bilder von Galya reagieren. Einige dieser Gedichte sind auf meinem Blog zu lesen. Galya ist ja auch Malerin, und nicht nur Buchgestalterin. Und sie ist dann wiederum erstaunt über das Resultat, weil es dann praktisch für uns immer wieder eine Kommunikation ist, ohne Kommunikation. Damit meine ich, dass jeder seine eigenen Mittel benutzt, um in ein Gespräch mit dem anderen zu treten. Und das Gleiche geschieht, wenn wir uns in unseren gemeinsamen Arbeitsraum zurück ziehen, ohne dass wir am selben Gegenstand arbeiten. Dann arbeitet jeder für sich, ohne eine unmittelbare Verbindung zueinander, aber es ist dann trotzdem ein gemeinsames Schaffen und Inspirieren durch die Unmittelbarkeit des Raumes, in dem wir uns unseren künstlerischen Tätigkeiten geben und widmen. Und ein Gedicht aus meinem Gedichtband Flügelkunde spricht davon. In diesem Gedicht geht es genau darum, wie wir zusammen arbeiten, und wie sich diese Arbeit ineinander fügt:

Kunst und Raum

Unter Druck spüre ich das Pulsieren meines Nichtseins, die Welt ist still
was steckt in deinen Ängsten?
Jeder Schritt zerkleinert mich, das ist die Gegenwart.
Wie frei sind wir zu handeln?
In Dosen wird Kreativität verkleidet, sie zischeln wenn man sie öffnet.

Dann sind wir allein:
Ich höre die Striche deines Zeichnens
es ist das Holz das klingt
dann schneidest Du das Papier zurecht, als würdest Du mir ein Bett bereiten
ziehst die Klinge in einem Zug erst dumpf dann hell
es ist der Schall der bricht,
wo wir uns treffen stößt
Weiß auf Weißes

Und, ja, vielen Dank für das Interview.

 

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