Kommunikationskongress 2011 – Persönliche Nachlese
19. September 2011 – 08:57
In diesem Jahr habe ich es endlich geschafft: Schon lange wollte ich mich auf einem Branchentreffen der Unternehmenskommunikatoren/-innen umschauen, mitbekommen, welche Themen wie gespielt werden und wie die „Branche tickt“. Vor allem aber hat mich interessiert, welchen Blick die PR-Zunft auf die Kommunikation von Arbeitgeberthemen wirft. Am Donnerstag und Freitag der vergangenen Woche habe ich in Berlin am Kommunikationskongress 2011 teilgenommen. Mit 1.800 registrierten Teilnehmern dürfte die vom Bundesverband der Pressesprecher veranstaltete Tagung wohl die größte Veranstaltung ihrer Art sein.
Sind Kommunikatoren kommunikativer?
Was ist mir aufgefallen? Ich bin ja nun seit Jahren ein häufiger Besucher von HR-Fachtagungen und Kongressen, so dass mir ein Vergleich zur Personalerwelt recht leicht fällt. Fangen wir bei den ganz einfachen Dingen an: Kommunikatoren sehen anders aus. Man merkt der Branche an, dass ihr Geschäft der Außenauftritt ist…Zudem wird etwas lebendiger in den Pausen getratscht. Überrascht hat mich dagegen, dass die Kommunikatoren bei den Vorträgen oftmals nur wenig offensiver fragen als Personaler. Klar: Moderator Hajo Schumacher ist auf Fragen aus dem Plenum nicht verzweifelt angewiesen, aber irgendwie habe ich mir die Kolleginnen und Kollegen Pressesprecher im Schwarm noch extrovertierter vorgestellt.
Kommunikatoren lieben ihre Journalisten
Ein deutlicher Unterschied zur HR-Community: Für immer noch zu viele Personaler sind Journalisten nach wie vor Aliens. Eine fremdartige, bisweilen bedrohliche Spezies. Ich denke immer noch mit Grausen daran zurück, wie vor einigen Jahren auf einer hochkarätigen HR-Veranstaltung ein Personalleiter halb öffentlich eine Journalistin wüst beschimpft hat. Die Pressesprecher sind da einfach viel näher dran. Nach dem hochkarätig besetzten und äußerst unterhaltsamen Presseclub (unter anderem Anne Will und Roland Tichy (Wirtschaftswoche)) am Ende des zweiten Tages gab es tosenden Applaus aus dem Plenum. Klar: Journalisten und PRler sitzen nur bedingt im „selben Boot“. Oliver Kalkofe bezeichnete PR am Donnerstagabend in der Speaker’s Night als „verbales Schönsaufen der Wirklichkeit“ und Journalismus als den Kater am Morgen danach. Aber dennoch: Kommunikatoren lieben „ihre“ Journalisten…..
Auch hier: Social Media (Folge 125)
Die Themen waren bisweilen ähnliche wie Kommunikationsthemen auf Personalkongressen: Über allem schwebte auch hier „Social Media“ beziehungsweise „Web 2.0“ (das Wort mag ich überhaupt nicht mehr, weil es so was von Web 1.0 ist..) – im Impulsforum am Morgen des ersten Tages waren mit Sascha Lobo (wie der Name schon sagt) und Daniel Domscheit (Ex-Wikileaks-Sprecher) gleich zwei Platzhirsche aus der deutschen Szene vertreten. Ihre Diagnose war nicht weiter überraschend, aber noch mal schön direkt anzuhören (und nicht wie für mich gewohnt aus dem Mund der in der HR-Szene doch recht häufig anzutreffenden „Sekundärexperten“): „Kontrolle über Marken mit Mitteln des 20. Jahrhunderts“ funktioniert nicht mehr (Lobo). Die Empfehlungen der Protagonisten der neuen Medienwelt an die Pressesprecher: Sie sollten Teil der neuen Bottom-up Kommunikationswelt werden (Domscheit-Berg) beziehungsweise „Kontrollverlustszenarien“ in ihren Aktivitäten einplanen (Lobo). Sascha Lobo und Moderator Hajo Schumacher wären übrigens eine ideale Besetzung für die Doppelspitze in einem „Ministerium für Problemfrisuren“ – aber das nur am Rande.
HR-Themen: auch in der Unternehmenskommunikation angekommen
Und das Thema HR-Kommunikaton? Ist offensichtlich längst auch in den Kommunikationsabteilungen der Unternehmen angekommen und kein Exklusivthema für Personalmarketingverantwortliche mehr (was auch wiederum eine Art Kontrollverlust darstellt). Bestes Beispiel dafür war der Vortrag von McDonald’s-Personalvorstand Wolfgang Goebel, den er zusammen mit dem Kommunikationschef des Unternehmens Matthias Mehlen hielt. Die Veranstaltung war sehr gut besucht- obwohl sie in einem eher abgelegenen Kellerraum stattfand. Was Goebel und Mehlen zeigten, war eine HR-PR Case aus dem Lehrbuch: In einem Gemeinschaftsprojekt von HR und Unternehmenskommunikation hat es McDonald’s geschafft, eine negatives Arbeitgeberimage zu drehen: Heute, so Goebel, sei die Presse zum Arbeitgeber McDonald’s zu „98 Prozent“ positiv. Bei dem Employer Branding-Projekt ging es nicht nur um Kommunikation: Das Unternehmen hab zunächst in seine Arbeitgebersubstanz investiert und erst dann kommuniziert. Erst diese Vorarbeit durch die Personalpolitik bot die Chance zu glaubwürdiger Kommunikation. Die Kampagne selbst war stark von PR-Methoden geprägt, selbst, da wo die Kanäle die der klassischen Werbung waren: Mitarbeiter statt gefakte Model-Testimonials, Storytelling statt Penetration von Werbebotschaften und authentische Bilder und Texte statt Kommunikation im Weißwaschgang. Interessanterweise sagte Goebel, dass die zweite Phase der Kampagne nicht ganz so gut funktioniert habe, weil sie „zu positiv“ und daher nicht ganz so glaubwürdig gewesen sei.
Schwindende Verlässlichkeit der Begriffe
Auch zur sich verändernden Rolle der Kommunikation gab es auf dem Kongress einiges an Gedankenfutter: Handelsblatt-Chefredakteur Gabor Steingart zeichnete in seiner spannenden Keynote von Freitag das Bild einer veränderten Gesellschaft, die dabei sei, sich von der Normalität zu verabschieden. Mit ihr verschwinde auch die Verlässlichkeit der Begriffe, die nicht mehr die gewohnte Bedeutung hätten („Familie“, „Reform“); auch der Begriff der „Nachhaltigkeit“ werde gerade kräftig „entsaftet“. Darauf müsse sich die Kommunikation einstellen. Patenrezepte, wie das geschehen solle, hatte Steingart nicht parat. „Zuhören“ sei allerdings eine vernachlässigte Tugend.
Kommunikatoren als Rückkoppler
Ums Zuhören ging es auch in den sehr interessanten Beitrag von Michael Buck (Dell Inc.). Buck ist gar kein PR-Mann, sondern als Manager bei Dell für kleinere und mittlere Geschäftskunden verantwortlich. Dell nutzt mittlerweile gezielt Social Media zur Servicekommunikation mit den Kunden und als Feedbackkanal für Anregungen zur Produktverbesserungen. 26.000 Einträge täglich über das Unternehmen in Social Media seien eine gigantische Quelle für Verbesserungen. Hier gehe es um das Prinzip „Manage the Noise“. Schließlich generierten heute „die Kunden selbst“ in Social Media die „meisten Touchpoints“ mit der Marke. Die Unternehmenskommunikation spielt im Unternehmen bei dieser Art von „Kommunikation“ keine große Geige mehr, was eine gewisse Unruhe im Publikum auslöste: „Wo bleiben wir dabei?“ Kam mir irgendwie bekannt vor…
Das Beispiel Dell zeigt aber zumindest: Zuhören ist in der veränderten Medienlandschaft offensichtlich ein wichtiger Wertbeitrag von Kommunikatoren. Es geht bei der Kommunikation eben nicht um das Herausblasen von vorgestanzten Unternehmensbotschaften: „Die Aufgabe von Kommunikatoren ist es nicht nur, der Umwelt die Organisation zu erklären, sonder auch er Organisation die Umwelt“, sagte ein Kongressteilnehmer während einer Diskussion gegen Ende des zweiten Kongresstags.