Menschenkenntnis – eine Eigenschaft, die sich zur Schlüsselfähigkeit im Recruiting entwickelt hat. Neben Studenten der HR und Personalwirtschaft finden häufig auch Psychologieabsolventen den Weg in Human Resources. Denselben Karriereweg hat auch Tania De la Paz eingeschlagen. Nach ihrem Psychologie-Studium sammelt sie bereits über 10 Jahre Recruitingerfahrung in aufstrebenden Internetunternehmen.
Jung, dynamisch und kreativ – so präsentieren sich zahlreiche Arbeitsteams, die im www Erfolge verzeichnen. Welche Herausforderungen sich beim Talentesuchen in diesem Bereich auftun, erzählt sie dem Recruiting-Club-TEAM in einem Interview.
Arbeiten in einem Team entwickelt sich immer mehr von einem Trend hin zum Status Quo. Aus welchen Individuen setzt sich ein Arbeitsteam optimalerweise zusammen bzw. welche Charaktere sollten auf keinen Fall fehlen? Querdenker, Kreative, Perfektionisten etc.?
Ich habe in den letzten Jahren vor allem im Rekrutieren internationaler Teams Erfahrung gesammelt. Am allerwichtigsten ist es meiner Meinung nach, dass alle Personen offen und flexibel sind und gewillt, sich auf die multikulturellen Faktoren einzulassen. Optimalerweise besteht ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Kreativen und Enthusiasten auf der einen Seite und Wettbewerbsorientieren und systematischen Denkern auf der anderen Seite.
Ein Experte kennzeichnet sich durch die Verknüpfung von Wissen und praktischen Fähigkeiten aus. Eine wichtige Rolle spielen immer auch „Soft Skills“. Welcher dieser drei Faktoren ist jedoch am wichtigsten?
Eine Verbindung aller drei Faktoren muss auch immer im Hinblick auf die Eigenschaften des Unternehmens betrachtet werden. Ich glaube, dass die Soft Skills im Vergleich zum Wissen immer stärker an Bedeutung gewinnen. Kenntnisse sind nämlich immer leichter zu erlernen. Wissen zu besitzen muss außerdem nicht automatisch heißen, dass man weiß, wie man es richtig einsetzt. Dieser Schuss kann oft auch nach hinten losgehen. Zum Beispiel, wenn man eine universitäre Fallstudie auf ein bestimmtes Unternehmen umlegen will, dabei aber ganz vergisst darüber nachzudenken, wofür das Unternehmen eigentlich steht bzw. was das Unternehmen ausmacht.
Kann man Soft Skills eigentlich erlernen oder handelt es sich um Eigenschaften, die man hat oder nicht hat?
Ich glaube, dass uns viele Fähigkeiten nicht angeboren sind, sondern dass wir sie uns durch Erfahrung und Selbstreflexion aneignen. Wir lernen vor allem dann dazu, wenn wir uns an neue Situationen anpassen und uns mit einer gewissen Offenheit neuen Herausforderungen stellen.
Haben Sie nach 10 Jahren gesammelter Arbeitserfahrung im Human Resources Bereich und zahlreichen durchgeführten Vorstellungsgesprächen ein Kriterium für sich entdeckt, durch welches man sagen kann „Das ist der perfekte Kandidat“?
Ich suche prinzipiell keine perfekten Kandidaten. Es geht einfach um die Frage, wen das Unternehmen zum gegebenen Zeitpunkt einstellen kann. Es gibt immer jemanden, der schlechter qualifiziert wäre, aber genauso auch jemanden, der besser passen würde als der ausgewählte Kandidat. Für mich waren immer jene die besten Kandidaten, die eine positive Einstellung zum Leben und zum Job an den Tag gelegt und in Folge professionell gezeigt haben, was sie innerhalb des Unternehmens im Stande waren zu leisten.
Glauben Sie an die Theorie der „Leuchtenden Augen“, welche den geeigneten Kandidaten verrät und seine Leidenschaft gegenüber dem Job signalisiert?
Mit dieser Theorie bin ich nicht vertraut, was ich aber sagen kann: Ich glaube stark an den Enthusiasmus, den eine einzelne Person im Interview vermitteln kann. Auch wenn das wenig objektiv klingen mag: Die eigene Intuition ist wichtig und man sollte im Zweifelsfall auf sie hören.
Als Recruiter sollte man immer den passenden Kandidaten für alle Positionen und Anstellungen finden. Gibt es Sektoren, in denen es besonders schwer ist, sich für eine Person zu entscheiden bzw. wo die Suche nach geeigneten Mitarbeitern sehr herausfordernd ist?
Meiner Meinung nach geht es immer darum, ob jemand ins Unternehmen passt oder nicht. Da kann es passieren, dass jemand alle Anforderung vollständig erfüllt, aber trotzdem nicht zur Unternehmenskultur passt und somit nicht eingestellt werden sollte. Ohne Zweifel sind Anstellungen mit Spezialwissen in der technischen Branche sehr schwer zu besetzen. Auf Grund des Fachkräftemangels gibt es hier hohen Bedarf von Arbeitgeberseite, jedoch nur wenige Jobsucher. Erschwerend kommt hinzu, dass sich Technologien in kürzester Zeit erneuern und den Arbeitsbereich gravierend verändern.
Welche Recruitingmethoden oder Interviewarten können Sie für die generelle Mitarbeitersuche im HR empfehlen?
Ich vertraue auf die Standardrezepte. Interviews und der DISC-Test haben sich in meinem Fall als recht zuverlässig erwiesen.
Was denken Sie über die aktuelle Situation? Wird dem Bereich Human Resources schon ausreichend Aufmerksamkeit geschenkt oder fehlt es bei vielen noch immer am Verständnis, was gut organisierte HR bewirken kann und welchen Wert diese einnehmen sollten? Was könnte hier in vielen Unternehmen noch verbessert werden?
Ich glaube es fehlt vielerorts noch an Aufklärungsarbeit, um in der Management-Ebene zu verankern, welche strategische Rolle HR einnehmen kann und muss. Vor allem im Technologie/Internetbereich spielt das Humankapital eine Schlüsselrolle. Was in den USA schon als selbstverständlich empfunden wird, ist in Europa noch nicht überall durchgesickert: das Team ist essentieller Bestandteil des Geschäftsmodells und sollte auch so behandelt werden.