“Social Media ist auch Arbeit”. Dies ist einer der Kernsätze, der die zweite Social Media Recruiting Conference (SMRC) in Wien am 28. und 29. Juni geprägt hat. Strategieplanung und praktische Umsetzung der Personalgewinnung im Social Web standen im Mittelpunkt der hochkarätig besetzten Veranstaltung. Die mehr als 50 Teilnehmer nahmen die Vortragenden beim Wort und Networking blieb nicht bloß ein Programmpunkt am Papier, sondern wurde zum Programm.
Jetzt oder nie (mehr): “Die Firmen können nicht mehr lange warten”
Die erste Panik, ohne Social Media nicht überleben zu können, ist in vielen Unternehmen abgeflaut. Doch immer mehr entdecken Social Media zur Personalgewinnung. Lange, so Gastgeber und atenta-Geschäftsführer Jan Kirchner, können die Firmen bei diesem Thema nicht mehr warten. Karriere.at war als Kooperationspartner mit dabei und Geschäftsführer Oliver Sonnleithner gab am Nachmittag Einblicke in den karriere.blog, das warum, weshalb und wie. Da während der gesamten SMRC fleißig getwittert wurde, sind zahlreiche Kommentare und Zitate auch im Twitter-Hashtag (#smrc) zu finden, über die SMRC gebloggt hat unter anderem auch Jörn-Hendrik Ast von ffluid fast forward concepts.
Mit einer Bestandsaufnahme zu Employer Branding und Recruiting im Social Web – zur Einstimmung gabs einen feinen Film mit dem Titel “Social Media Revolution 2012 – konnte Jan Kirchner seine Botschaft: “Die Entwicklung ist rasant” eindrucksvoll unterstreichen. 2004 ist das Geburtsjahr von Facebook, 2009 jenes von Social Recruiting im deutschsprachigen Raum. “Die Leute wollen Zahlen hören, oft heißt es dann: ,Sagen Sie mal, was bringt das eigentlich?’”, berichtet Kirchner. “Die Tatsache ist aber, diese Zahlen existieren schlicht und einfach noch nicht.” Fakt ist, dass in den USA bereits 73 Prozent der Firmen im Internet rekrutieren, mehr als die Hälfte davon will in Zukunft noch mehr Geld für Social Media Recruiting ausgeben.
“Es ist mühsam, wenn drei Leute eine Zeile auf Facebook freigeben müssen”

V. l.: Moderator Ralf Tometschek (Identitäter) und Jan Kirchner
Bei uns, so Kirchner, passiert oft nichts, “ich weiß es noch nicht, ob wir online rekrutieren wollen heißt oft, wir kriegen kein Geld dafür.” ABER: “50.000 Euro machen noch kein erfolgreiches Social Recruiting. Es braucht eine Idee und Leute, die diese Kanäle bespielen. Erfolgreich ist man dann, wenn man Mitarbeiter einsetzt, die Social Media bereits zuvor privat genutzt haben, daran Spaß haben.” Denn diese posten locker und brauchen weniger Zeit. Denn “es ist mühsam, wenn drei Leute eine halbe Zeile auf Facebook freigeben müssen.” Social Media hat eine eigene Sprache, so Kirchner, es ist privat geprägt und man muss den Ton treffen.
Die Menschen drücken nur dann LIKE, wenn etwas cool ist
“Die Leute sollten einfach mit offenen Augen durch die Welt gehen, überlegen, wie man Diskussionen anregt und daran denken, dass die Menschen nur dann “like” drücken, wenn etwas cool ist.” Firmen sollten sich die Frage stellen, wie sie sich positionieren wollen und wie sie dieses Bild von sich auch im Alltag leben können. Das Posten von kleinen Nettigkeiten im Arbeitsalltag etwa, kann einen authentischen Einblick schaffen. “Ehrlichkeit ist dabei immer ein guter Start, die Herausforderung ist es dann, nach der Anfangseuphorie dabei zu bleiben. Den Social Media ist kein Bonbon-Laden sondern auch mal harte Arbeit.” Und für den Traffic ist man bei Social Media selbst verantwortlich.
Generation Y: Arbeit und Zeit müssen entkoppelt werden

Jörn-Hendrik Ast
“Die Generation Y ist die erste Generation, die ein Leben ohne digitale Konsumgüter nicht mehr kennt”, startet Jörn-Hendrik Ast in seinen Vortrag über Recruiting von Millenials. Die Autodidakten “Digital Natives” sind always on, sie nutzen die Fastline im Fastfood Restaurant, “I want it fast, I want it now” ist ihr Leitspruch. “I trust my friends more than corporate mouthpieces” erklärt Ast, dass Marketing neu gedacht werden muss, in einer Generation, in der 80 Prozent Social Media nutzen und die Häflte mehr als 200 Facebook-Freunde hat. “Die Generation Y wird durch einflussreiche Netzwerke und nicht durch Werbung erreicht.” Um einen Millenial zu gewinnen und zu halten, muss alles stimmig sein und passen, “der Geduldsfaden ist kürzer, in dieser Generation wird sich weniger mit etwas abgefunden, sondern das Netzwerk oder die Arbeit einfach gewechselt.” Ast rät den Unternehmen, Kontakte zuzulassen, einen authentischen Einblick ins Team zu geben und vor allem Arbeit und Zeit zu entkoppeln. Denn starre Strukturen und Arbeitszeitmodelle sind nicht mehr zeitgemäß und werden die jungen Kreativen schlichtweg vertreiben.
“Für den User muss sichtbar sein, was das Netzwerk einem bringt”

Friedrich Bardt
Eine – sehr ironisch gemeinte – kleine Anleitung zum perfekten Fehlstart für den Community-Aufbau lieferte Friedrich Bardt, Senior Manager Strategic Business Development, von Xing. Mit Fehlannahmen wie “Einfach mal aufsetzen und laufen lassen” oder “Die Aktivität wird dann schon von alleine kommen” stößt er ins selbe Horn wie seine Vorredner. “Es muss für den User sichtbar sein, was das Netzwerk einem bringt.” Denn Aktivität, so Bardt, kann nur durch spannende und interessante Inhalte erreicht werden. Auf Xing gibt es nicht nur 100.000 Kontaktbestätigungen täglich, sondern auch zahlreiche Communitys wie die Nutella-Fan-Seite, auf der erstaunlich reges Treiben herrscht. Employer Branding auf Xing – kein Problem, so Bardt. Er sieht Social Media als Chance, man muss jedoch den Nutzen für den User klar definieren, ein Konzept erstellen und aktiv bleiben. Authenzität ist auch für ihn ein entscheidender Punkt.
“Königsdisziplin ist immer, den richtigen Content zu finden”

Sebastian Manhart
Wirtschaftskammer, Industrie, Lehrlingsmangel – drei Schlagworte, die man auf den ersten Eindruck nicht zwingend mit Social Media in Verbindung bringt. In Vorarlberg trotzdem Realität: Die V.E.M (Vorarlberger Elektro- und Metallindustrie), Interessensvertretung von 110 Unternehmen mit 16.000 Mitarbeitern, bildet pro Jahr rund 350 Lehrlinge aus – nur dass diese eben immer weniger werden. Sebastian Manhart, Geschäftsführer und Initiator der VEM-Lehrlings-Karrierepage, berichtete erfrischend ehrlich über Chancen, Risiken, Erfolge und Rückschläge des Lehrlings-Marketings via Facebook.
“Die Königsdisziplin ist immer, den richtigen Content zu finden”, ist Manhart überzeugt – ebenso wie die Problematik, auch die richtige Alters-/Zielgruppe anzusprechen und für Viralität der Aktionen zu sorgen. Dass Employer Branding via Facebook wirkt, zeigt der Erfolg der VEM – auch wenn nicht jeder Post, jedes Bild und jede Aktion gleich gut funktioniere. Was geht und was nicht, finde man mittels Trial-and-Error-Prinzip relativ rasch heraus – Kreativität spielt jedenfalls eine wesentliche Rolle: Von der Foto-Box mit automatischem FB-Bild-Upload über die Leibchen-Designaktion bis hin zum Band-Voting für den großen Lehrlingsball…
Übrigens: Ein ausführliches Interview mit Sebastian Manhart zum Thema Social Media Recruiting hier zum Nachlesen.
“Den ROI eines Printinserats kann ich letzlich auch nicht messen.”
Bloggen jetzt auch noch? Reicht nicht schon die Facebook-Karrierepage? Möglich – am besten funktioniert allerdings beides gemeinsam. Wie? Einfach beginnen! Ziele, Strategie und Zielgruppe definieren, WordPress checken und los geht’s! karriere.at-Geschäftsführer Oliver Sonnleithner hatte das Thema Employer Branding mit Blogs auf der Agenda. Deren Vorteile: Wenn sie (inhaltlich) gut gemacht sind, geben sie einen perfekten, authentischen Einblick in eine Firma. Und helfen Interessenten oder Bewerbern letztlich bei der Beantwortung der Frage: “Will ich hier überhaupt arbeiten?” Oft entscheidender als das gebotene Gehalt sind für zukünftige Mitarbeiter nämlich Faktoren wie Image, der Arbeitsplatz- und -ort, die Persönlichkeiten im Unternehmen und Dinge, die das Team zum Team machen (gemeinsame Aktivitäten, Partys, Betriebsausflüge, Eisstockschießen…). Employer Branding vom Feinsten also.
Natürlich gilt für Unternehmensblogs dasselbe, wie für Social Media generell: Sie sind nur gut, wenn man sie professionell betreibt. Und sie kommen oftmals erst gar nicht zustande, weil im Unternehmen kein Verständnis vorhanden, geschweige denn dafür nötige Ressourcen zur Verfügung gestellt würden – weil auch kein unmittelbar messbarer ROI zu erwarten sei. Sonnleithner: “Den ROI eines Printinserats kann ich letztlich auch nicht messen.”
Alle Folien des Vortrags von Oliver Sonnleithner zum Download.
“Ich rede nicht mehr mit denen, die nicht online denken”
Über Serious Gaming im Recruiting sprach Ibrahim Evsan, Gründer und früherer Geschäftsführer von fliplife. “Der Onliner spielt und das Spiel ist die höchste Form des Marketings”, beschreibt Evsan das Social Game, mit dem sich virtuelle Karrieren in echten Unternehmen durchspielen lassen. Bis zu 30 Stunden beschäftigen sich Fliplife-Spieler dabei mit ihrer Karriere in einem echten Konzern. Kundenbindung passiert, die Belohnung erfolgt unter anderem durch Goodies wie Facebook-likes. Denn je aktiver man digital ist, desto mehr will man belohnt werden. In seinem bannenden Vortrag schildert Evsan, wie die Distanz der Medien zu den Menschen schwindet: war das Radio früher in Reich-, der TV später in Sehweite, so ist das Smartphone heute das “Betriebssystems des Lebens.” Für den Web 2.0-Experten ist klar: “Wir vermarkten uns heute online selbst und sind uns dabei selbst bewusst, was wir wollen. Die Unternehmen müssten dies verstehen, wer nicht dabei ist, ist raus. “Ich red nicht mehr mit denen, die nicht online denken.”
Fotonachweis: karriere.at/Frenner
Es hat richtig Spaß gemacht, wenn Ihr für nächstes Jahr noch keinen Moderator habt… ;-)