Trotzdem: in meinem irrationalen Tun gelingt es auch mir, aus dem Haus zu müssen; das Brot ist aufgebraucht, der Kaffee nicht mehr vorhanden. Sozialkontakte im Konsumtempel: ich laufe zufällig durch die Regale, von vorne nach hinten, nehme mir Dosen, Beutel, Tüten, laufe weiter, lege das, was ich willkürlich aufgenommen habe, wieder ab, starre auf die nackten Füße reifer Frauen, denke darüber nach, ob ich Buttermilch über sie gießen soll, schaffe mir Platz im Kühlregal, lasse mich nieder, reiße eine Packung auf, setze mich in die Kälte und warte, bis man mich auf mein Verhalten anspricht. Niemand spricht. Man kennt mich. Niemand spricht. Ich nehme meinen Hut ab, lege hinein was ich wirklich brauche. Lege Kaffee hinein, lege Kaffee hinein, lege Kaffee hinein. Ich stelle mich an die Kasse, bis nur noch einer vor mir steht. Kaum hat der bezahlt, lasse ich den nächsten vor, den nächsten vor, den nächsten vor, so daß ich eine geraume Weile fast dran bin. Die Kassiererin verdreht die Augen. Niemand spricht.
An der Bäckertheke: „Haben Sie schon gehört?“ – „Was?“ – „Was ist das da?“ Ich zeige mit dem Finger zwischen die Backwaren, zeige auf nichts. „Das?“ – „Nein, das daneben.“ – „Das?“ – „Nein, wieder nicht, das daneben.“ – „Das?“ – „Sehen sie nicht, wo mein Finger hinzeigt? Der zeigt genau daneben.“ – „Die Schnecke?“ – „Nein, nein!“ Ich tupfe mit dem Finger gegen das Glas, sie sieht hilflos zu ihrer Kollegin hinüber. „Das daneben!“ – „Neben was denn?“ – „Neben allem, begreifen Sie denn nicht?“ Sie starrt mich an, ihre Freundlichkeit ist verbraucht. Ich verabschiede mich nicht und gehe in die Apotheke.
„Guten Tag, ich benötige etwas gegen Sodbrenne nach Kaffeekonsum.“ – „Sodbrennen? Da haben wir…“ – „Sodbrennen nach dem Kaffeekonsum?“ – „Das ist ganz normales Sodbrennen.“ – „Nein, ist es nicht. Ich habe Sodbrennen nur nach Kaffeekonsum. Dagegen brauche ich etwas.“ – „Das hilft ganz genauso wie bei allem anderen.“ – „Kopfschmerzen?“ – „Sodbrennen.“ – „Ah, Sodbrennen. Habe ich immer nur nach Kaffeekonsum.“ Sie schielt auf meine Packung Kaffee, die ich in der Hand halte. „Vielleicht sollten sie einfach keinen Kaffee trinken.“ – „Der ist nicht für mich, der ist für meine Schreibmaschine.“
- von Michael Perkampus
in Die Veranda