Samstag, 2. April 2016
Band, Lind, Tatzel:
Die Wahl der Würmer.
(Wie viele Unterarten es wohl gibt? Keine Ahnung. Alles, was allzu leicht gegoogelt werden kann, langweilt mich.)
Ich mag Würmer, auch glitschige. Mäandernde sowieso.
Menschen, die sich (aus welchen Gründen auch immer) in welche transformen, widern mich allerdings an. Bin gliedmaßenfixiert, schon immer. Mit Betonung auf dem Plural; am Rumpf muss einfach was schlenkern. Zupacken. Sich aufrichten.
Einem Wurm zu sagen er sei einer, da fühlt der sich nicht beleidigt.
So what?!? wird er nur fragen. Mit so einer fieseligen Stimme.
(Wollte das nur mal kurz loswerden.)
Eigentlich will ich übers Vermissen schreiben. Jemand muss eh anfangen, also kann ich’s auch gleich selbst tun. Im Anfangen bin ich gut, Kontinuität ist nicht so meine Stärke.
Grundsätzlich hab’ ich derzeit vergessen, was meine Stärken sind, nur diese eine ist mir noch bewusst, ich kann aus dem Stand loslegen. Brauch’ dazu auch keinen Pfeil. Keine Markierung. Ich fang’ einfach irgendwo an.
Auch beim Schreiben. Ich meine, ein Gedanke oder ein Satz beginnt ja auch willkürlich da oben: Niemand im Gehirn sagt ihm, wo dafür der richtige Platz ist.
Meins wurde kürzlich gescannt. Mein Gehirn, ich hab’ jetzt Aufnahmen davon. Scheint alles in Ordnung zu sein.
Also hat dieses andauernde Brummen in meinem Kopf keine körperliche Ursache, sagte ich zur Ärztin.
Die zog die rechte Braue hoch. Wer soll’s denn sonst machen, wenn nicht Ihr Körper?!
Oh, sagte ich. Natürlich, wie dumm von mir.
(Man muss dazusagen, die Ärztin ist alte Schule und fackelt nicht rum. Seitdem sie weiß, dass ich Künstlerin bin, lässt sie sich freien Lauf.)
Eben ist die Kogge gelandet. So hat LeBlanc ihn getauft. Meinen Tauberich. Weil er so schwer ist.
Die Kogge ist ein prächtiger Vogel und kein bisschen fett.
LeBlanc sieht das anders.
Er denkt, er sei eine Meise, spottet er.
Wie kommst du denn darauf?
Na, weil er sich immer auf die dünnsten Ästchen deiner Birke niederlassen will, die, auf denen die Meisen sitzen. Natürlich halten die Ästchen sein Gewicht nicht aus, aber er versucht es immer wieder.
Er glaubt, er sei schlank und grazil, sage ich, ein hübsches Ding, das überall landen kann. Er versucht es immer wieder, weil er gar nicht weiß, dass es ein Versuch ist! Für ihn ist es eine Selbstverständlichkeit.
Tja, sagt LeBlanc.
Ich frage mich, womit man die bessere Landung erzielt: mit dem Bewusstsein, dass man etwas riskiert, oder mit dem, dass eh klar ist, dass man gut landen wird.
(Vertrauen.
Ich vermisse Vertrauen.
In mich.
Anderen vertraue ich grundsätzlich und lande prima damit.)
Gestern, zum ersten Mal seit Monaten, lief ich wieder durch meinen Park, mehr oder weniger mühelos. Erstaunlich leichtfüßige acht Kilometer, eigentlich, in Anbetracht dessen, was ich vermisse. Morgen werden es schon wieder zehn sein.
Kraft ist reichlich vorhanden. Dreimal in der Woche stemme ich mich gegen die Eisen, mein genialer Coach bellt mich zu Höchstleistungen.
Für die dünnen Ästchen bin ich dennoch zu schwer.
Ich bin so verdammt hungrig.
Wenn der edle Lebenshunger nicht gestillt werden kann, schalten die Synapsen bei mir auf primitiv: Essen hilft, viel essen hilft mehr.
(Komisch, dass man Bissen wiederholen muss, ist doch immer der gleiche Geschmack(?!) Wie oft muss dieses Aha-Signal im Hirn ankommen, bis etwas sagt, man könne jetzt aufhören zu essen? Bei mir passiert erst einmal gar nichts, nachdem ich das Gericht erkannt und gewürdigt habe,
dafür brauch’ ich eh nur einen Bissen.
Esse dann weiter, bis ich satt bin. Immer noch kein Signal. Also weiter, bis nichts mehr auf dem Teller ist. Signal manchmal immer noch keines, also neuer Teller. Erst, wenn etwas einsetzt, das ich Betäubung nennen würde, leg’ ich die Gabel weg.
Ich sag’ ja – Einfachmodus.
Muss wieder aufhören mit dem Taubessen. Zu psycho. Nur richtige Tauben kommen damit zurecht.)
Also, mein Gehirn ist in Ordnung, ich hab’s offiziell auf CD.
Kostenfreies Patienten-Exemplar, für Kopien wird eine Gebühr erhoben.
Steht drauf.
Kein Leck, kein Tumor, kein gar nichts. Ein prima Gehirn. Kann sein, es braucht einfach ein paar Tropfen imaginäres Öl, damit das Brummen aufhört.
Vielleicht aber auch etwas ganz anderes.
- von Phyllis Kiehl
in Tainted Talents