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Ginevra

vor 1 Monat

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Die 43-jährige Susan Svendsen aus Kopenhagen ist eine außergewöhnliche Frau: renommierte Physikerin, Mutter von Zwillingen und (Noch-)Ehefrau des berühmtesten dänischen Komponisten Laban Svendsen. 

Für die dänische Regierung ist das Wichtigste an Susan ihre besondere Ausstrahlung, die dazu führt, dass wildfremde Menschen ihr einfach alles erzählen - nützlich für Verhöre mit Terroristen.

Trotz Susans privilegierter Situation gibt es massive Probleme. Zwischen Susan und Laban kriselt es gewaltig, da Susan wiederholt fremdgegangen ist; die beiden Kinder Thit und Harald haben Schwierigkeiten, im Schatten der berühmten Eltern ihren Platz zu finden, und Laban verzweifelt an Susans Gefühlskälte ihm gegenüber.
Als die Familie für ein Jahr nach Asien zieht, geschieht das Unwahrscheinliche: alle vier geraten mit dem einheimischen Gesetz in Konflikt, allen drohen lange Haftstrafen - Susan wird sogar wegen versuchten Totschlags an einem ihrer Liebhaber angeklagt. 

Doch da erscheint der undurchsichtige Thorkild Hegn auf der Bildfläche und verspricht, der Familie zu helfen – wenn Susan ihr Talent dem dänischen Geheimdienst zur Verfügung stellt.
Susan zögert nicht lange, denn sie hat ja bereits für den Staat gearbeitet, indem sie erfolgreich Polizeiverhöre durchführte.

Was nun folgt, ist eine rasante Kette von gefährlichen Situationen, in die Susan, Laban, Thit und Harald geraten. Auf der Suche nach den geheimen Erkenntnissen einer „Zukunftskommission“ aus den 1970-er Jahren werden alle vier immer tiefer in ein politisch-wirtschaftliches Intrigengespinst verwickelt, bei dem die Zukunft der Welt auf dem Spiel steht…

Peter Høeg, geb. 1957 in Kopenhagen, ist einer der erfolgreichsten dänischen Schriftsteller. Sein 1992 erschienener Roman „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“ ist legendär und wurde u.a. mit dem deutschen Krimipreis (international) ausgezeichnet.
Entsprechend hoch waren meine Erwartungen an den Susan-Faktor!

Leider muss ich sagen, dass ich zum Einen mit der Protagonistin überhaupt nicht warm wurde, und mir die Handlung wie auch die Personen ziemlich überzogen vorkamen. Fast alle Beteiligten (auch die Nebenfiguren) haben unglaubliche Fähigkeiten oder sind zumindest Nobelpreisträger. Familie Svendsen kam mir vor wie eine Neuauflage der „Incredibles“ (einer Superhelden-Parodie), und auch ein soziopathischer Schurke darf nicht fehlen.
Susan hat für mich keinerlei Empathievermögen – für mich eine Grundvoraussetzung dafür, dass Vertrauen und Offenheit entstehen; der „Susan-Effekt“ wird für mich nicht plausibel erklärt. 

Ein interessantes Gedankenspiel war für mich der Versuch des Autors, physikalische, chemische und biologische Theorien auf zwischenmenschliche Beziehungen und den Verlauf von gesellschaftlichen Ereignissen anzuwenden. Susan versucht z.B. mittels der Quantenmechanik ihr selektives Erinnerungsvermögen zu erklären, sie erstellt eine Kurve für die Annäherung und Abstoßung zwischen Menschen (damit sind ihre Eheprobleme abgehandelt), oder sie erinnert sich beim Pfropfen von Obstbäumchen an ihre frühe familiäre Situation (Anm. am Rande: natürlich ist ihre Mutter eine weltberühmte... und ihr Vater ist ein höchst bedeutender...). 
Da gab es für mich einige intellektuelle Highlights in diesem Roman, die mich motivierten, weiterzulesen. 

Manchmal nervten mich die Fachbegriffe aber auch, wenn z.B. über dem morgendlichen See der „Advektionsnebel“ wabert, in dem ein Schwimmer seine „Sinuskurven“ zieht.
Absolute Tiefpunkte waren für mich eindeutig die Sexszenen. 

Streckenweise kam ich mir vor wie in einem Dan Brown-Roman, allerdings weniger oppulent erzählt, für mich eindeutig zu kurz und knapp in der Erzählweise, besonders der erste und der dritte Teil. Der mittlere Teil dagegen erschien mir etwas ruhiger und tiefgründiger – er erinnerte mich tatsächlich atmosphärisch an Fräulein Smilla (dafür sorgte schon allein der Schnee)!
Trotzdem: der Versuch, Anspruch und Thrill zu verknüpfen, hätte für mich in beide Richtungen intensiver ausfallen können.

Fazit: für mich leider nicht den Erwartungen entsprechend, aber auch nicht gerade schlecht. Spannende Unterhaltung mit einem gewissen intellektuellen Anspruch – und einem interessanten Ausgang. 
3 von 5 Sternen!

Autor: Peter Hoeg
Buch: Der Susan-Effekt
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