Monatsarchiv für März 2011

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Studie: Internet- und Web 2.0 Nutzung in Deutschland

Die Reichweite des Internets ist in Deutschland inzwischen fast vergleichbar mit der des Fernsehens: 76 Prozent der deutschen Onliner sind täglich im Netz und 49 Millionen Menschen ab 14 Jahren nutzen das Internet wenigstens gelegentlich. Dies entspricht einem Bevölkerungsanteil von 69,4 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr sind in 2010 damit 5,5 Millionen Nutzer neu hinzugekommen, was einem Zuwachs  von 13 Prozent entspricht. Social Communitys sowie Video- und Fernsehinhalte im Netz werden immer beliebter, wobei das Anschauen von Onlinevideos für die meisten Nutzer weitaus wichtiger ist als viele Web-2.0-Aktivitäten.

ARD/ZDF-Onlinestudie häufig zitiert
Dies sind Ergebnisse der viel zitierten ARD/ZDF-Onlinestudie 2010. Seit 1997 befragt sie die deutschsprachige Bevölkerung ab 14 Jahren, wobei die Stichprobengröße in 2010 n=1804 betrug. Durch diese breite Befragung und die wissenschaftlichen Erhebungsmethoden gilt die jährliche ARD/ZDF-Onlinestudie als seriös und verlässlich. In meinen Recherchen bin ich auf keine andere Erhebung zur Internetnutzung in Deutschland gestoßen, die annähernd so häufig herangezogen und zitiert wurde. Da sich meine Masterarbeit mit Social Media in den Investor Relations beschäftigt, interessiert mich in erster Linie die Web 2.0 Nutzung, die ebenfalls seit einigen Jahren ermittelt wird.

Wie relevant ist das Internet generell für Wirtschaftsinformationen?
Interessant ist, dass in 2010 26 Prozent aller Internetnutzer (also Kinder und Senioren inbegriffen) gelegentlich oder häufig im Netz Informationen zu Wirtschaft und Börse gesucht und genutzt haben. Wenn man für die typischen Zielgruppen der Investor Relations (Financial Community) tendenziell von berufstätigen, besser gebildeten, männlichen Personen zwischen 30 und 59 Jahren ausgeht, dürfte dieser Prozentsatz noch deutlich höher liegen.

Mehr zur Grundcharakteristik der Nutzer sagt die „MedienNutzerTypologie 2.0“ aus. Die Gruppe der „routinierten Infonutzer“ beispielsweise beschäftigt sich täglich zwischen 100 und 350 Minuten intensiv mit Netzinhalten, während der Gesamtdurchschnitt bei 77 Minuten liegt.

Tendenziell kann man also davon ausgehen, dass das Internet generell für Wirtschaftsinformationen und damit auch für Investor Relations Kommunikation sehr relevant ist.

Verstärkte Nutzung von Web 2.0 in Deutschland
Der Anstieg der gelegentlichen bis regelmäßigen Nutzung von Social Media war bei Wikipedia, Videoportalen (z. B. Youtube) sowie privaten Netzwerken und Communitys in den letzten Jahren besonders stark. Fotosammlungen und -Communitys (z. B. Flickr), berufliche Netzwerke und -Communitys (z. B. Xing, LinkedIn), Lesezeichensammlungen (Social Bookmarks) sowie Weblogs stagnieren dagegen oder nehmen laut Studie sogar leicht ab. Es ist also eine wachsende Nutzungskluft zwischen populären Web-2.0-Formen und speziellen Angeboten zu beobachten.

web2.0 Nutzung in Deutschland 2007 bis 2010

Die Twitternutzung wurde 2010 erstmals im Rahmen dieser Studie erhoben. Drei Prozent bzw. hochgerechnet ca. 1,65 Millionen Menschen (überwiegend junge Männer) haben den Kurznachrichtendienst schon einmal genutzt, davon jedoch knapp zwei Drittel ausschließlich passiv, also nur lesend.

Beeindruckend ist die Nutzungshäufigkeit bzw. -intensität privater Communitys/Netzwerke unter eigenem Profil 2010: Hier stehen beispielsweise die 50 bis 59 jährigen Nutzer den 30 bis 39 jährigen in keinster Weise nach. 47 Prozent pflegen wöchentlich ihr soziales Netzwerk und 32 Prozent sogar täglich. (Beide Angaben setzen allerdings ein eigenes Profil beispielsweise bei Facebook voraus. Dies wird aus der Tabelle nicht sofort ersichtlich.)

Nutzungsfrequenz von web 2.0 Angeboten in Deutschland

Relevanz für Investor Relations
Für konkrete Fragestellungen von IR Abteilungen sowie meine Masterarbeit sind die Zahlen der ARD/ZDF-Onlinestudie nur bedingt aussagekräftig. Die allgemeine Internet- und Web 2.0 Nutzung des gesamten Bevölkerungsdurchschnitts lässt sich kaum auf die speziellen Zielgruppen der Investor Relations anwenden. Lediglich über die angesprochene Gruppe der „routinierten Infonutzer“ lassen sich Tendenzen aufzeigen, wie wichtig Internet und Social Media für die professionelle berufliche Nutzung mittlerweile sind.

Für andere Unternehmensbereiche wie beispielsweise Human Ressources oder Marketing dagegen sind die nach Alter gestaffelten Erhebungen sicherlich wertvolles Informationsmaterial für die Online-Strategieplanung.

 

Geschrieben von Andreas Köster am 30. März 2011 | Abgelegt unter Quellen,Studien | Keine Kommentare

Rechtliches zu Social Media in IR

Ad-hoc Mitteilungen über Twitter und live twittern aus der Hauptversammlung? Nicht jede Social Media Kommunikation, die für Investor Relations in den USA eingesetzt wird, kann einfach für Deutschland übernommen werden. Die Investor Relations unterliegen in Deutschland einer Vielzahl verschiedener Gesetze und Verpflichtungen und stellen den am stärksten reglementierten Kommunikationsbereich überhaupt dar.

Aufgrund dieser Umstände bin ich froh, auf dem Seminar „Investor Relations vor neuen Herausforderungen – Social Media, Online-Hauptversammlung und CSR-Reporting“ des Deutschen Aktieninstituts einiges über Social Media und den kapitalmarktrechtlichen Rahmen erfahren zu können. Die Rechtsanwaltsgesellschaft BridgehouseLaw ist meinem Wissen nach die einzige Rechtsberatung in Deutschland, die sich mit neuen Nutzungsmöglichkeiten der Sozialen Medien in IR befasst.

Ad-hoc Mitteilungen per Twitter?
Mit Ad-hoc-Meldungen in den Investor Relations hatte ich mich schon befasst. In aller Kürze: „Ein Inlandsemittent von Finanzinstrumenten muss Insiderinformationen, die ihn unmittelbar betreffen, unverzüglich veröffentlichen;“ (§15 Abs. 1 WpHG). Dabei soll die Veröffentlichung kurz gefasst sein, was Twitter mit 140 Zeichen sicherlich wäre. Jedoch ergeben sich aus §4 Abs. 1 WpAIV eine Reihe zwingender Inhaltsbestandteile, bei der alleine die Absenderinformationen den Rahmen eines Tweets bei weitem überschreiten, geschweige der eigentlichen zu veröffentlichenden Information.

Der Umfang eine Ad-hoc Meldung ist nicht der einzige Grund, der gegen eine Twitter-Veröffentlichung spricht: §5 WpAIV schreibt vor, „ [...] dass die Information 1. über ein elektronisch betriebenes Informationsverbreitungssystem, das bei Kreditinstituten […] weit verbreitet ist, in die Öffentlichkeit gelangt und 2. sofern der Veröffentlichungspflichtige über eine Adresse im Internet verfügt, unter dieser Adresse für die Dauer von mindestens einem Monat verfügbar ist […]“. Wie ich von BridgehouseLaw auf dem Seminar lernen konnte, sind Twitter, Facebook und Co. (bislang) jedoch nicht als „weit verbreitet“ angesehen. Weniger weitreichende Publikationsformen sind selbstverständlich unzulässig  (§15 WpHG). Zudem sind eine Archivierung von Tweets und deren dauerhafte Verfügbarkeit kaum sicherzustellen.

Twitter als zusätzlicher Verbreitungsweg
Es überrascht kaum, dass Microblogs wie Twitter als alleinige Plattform zur Veröffentlichung einer Ad-hoc Mitteilung ausscheiden. Jedoch eignet sich Twitter aufgrund seiner Schnelligkeit und Beliebtheit bei privaten Investoren hervorragend als zusätzlicher Veröffentlichungskanal. Beispielsweise ist es über eine API (Programmierschnittstelle, engl. application programming interface) möglich, dass die Mitteilung bei Veröffentlichung auf der IR Webseite zeitgleich mit Link in Twitter gepusht wird. Aufgrund der viralen Verbreitung (Retweets) in Twitter, würden sich relevante Informationen explosionsartig verbreiten und mehr Menschen erreichen.

Rechtliches zu Social Media in IR

Twittern aus der Hauptversammlung
Bereits seit 2008 werden in den USA Quartalsergebnisse, Jahresabschlüsse und Hauptversammlungen live auch über Twitter verbreitet. Insbesondere Ebay (@eBayInc), Cisco (@CiscoSystems) und Dell (@DellShares) sind hier führend.

In Deutschland ist live twittern aus der Hauptversammlung jedoch nicht so einfach möglich, da es sich hierbei grundsätzlich um eine nicht-öffentliche Veranstaltung handelt. Bild- und Videoaufnahmen (z. B. twitpic) erfordern ebenfalls eine Einwilligung (§22 KUG).

Nach meiner Einschätzung sind Unternehmen in Zukunft gut beraten, von sich aus auf diese Umstände ausdrücklich hinzuweisen, bzw. eine entsprechende Einwilligung zu erteilen. Die Situation, dass ein Unternehmen seine eigenen Anleger aufgrund eventueller Unklarheiten anzeigt, stelle ich mir jedenfalls unangenehm vor…

Twitter zur Kursmanipulation geeignet
Nicht erst seit den Börsentipps von Rapper 50 Cent ist bekannt, wie leicht sich über Twitter Gerüchte streuen lassen. In den Investor Relations ist dies besonders brisant, da die Börse von Gerüchten lebt und Kursmanipulationen welcher Art auch immer strengstens verboten sind (§20a WpHG):  „Es ist verboten […]Täuschungshandlungen vorzunehmen, die geeignet sind, auf den inländischen Börsen- oder Marktpreis eines Finanzinstruments oder auf den Preis eines Finanzinstruments an einem organisierten Markt in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum einzuwirken.“ Insofern sollten nur ausgebildete Investor Relations Manager Social Media für ihr Unternehmen nutzen.

Social Media Monitoring zur Risikofrüherkennung
Bereits mehrfach habe ich das Thema Monitoring im Rahmen einer umfassenden Social Media Strategie angesprochen. Die Experten von BridgehouseLaw haben mich nun darauf aufmerksam gemacht, wie relevant ein solches auch aus rechtlicher Sicht für börsennotierte Unternehmen in Deutschland werden kann:  „[…] ordnungsgemäße Geschäftsorganisation muss insbesondere ein angemessenes und wirksames Risikomanagement umfassen, auf dessen Basis ein Institut die Risikotragfähigkeit laufend sicherzustellen hat […]“ (§25a Abs. 1 KWG).

„Der Vorstand hat geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden.“ (§91 Abs. 2 AktG)

Reputationsrisiken frühzeitig erkennen und frühzeitig begegnen
„Das Institut hat zu gewährleisten, dass ein sich abzeichnender Liquiditätsengpass frühzeitig erkannt wird. Hierfür sind Verfahren einzurichten, deren Angemessenheit regelmäßig zu überprüfen ist. Auswirkungen anderer Risiken auf die Liquidität des Instituts (z. B. Reputationsrisiken) sind bei den Verfahren zu berücksichtigen.“ (BaFin Rundschreiben 11/2010 (BA) – Mindestanforderungen an das Risikomanagement, BTR 3.1 Nr.2)

Damit wird das Monitoring von Social Media (Blogs, Foren, etc.) zunehmend auch zum Reputationsrisikomanagement erforderlich und laut der BridgehouseLaw kann Social Media zu einer Neubewertung von Ermessensspielräumen führen.

Fazit
Vor dem Hintergrund, dass sich Social Media mit hoher Geschwindigkeit wandelt, und Gesetzt und Rechtsprechung dagegen um Jahre „hinterherhinken“, verwundert es wenig, dass  es zu Rechtsfragen bezüglich Social Media in den Investor Relations keine expliziten Quellen gibt. Es ist jedoch deutlich geworden, dass ein Microbloging Dienst wie Twitter nicht alleine stehend für Ad-hoc Publizität nach heutiger Rechtslage sorgen kann, sondern diese lediglich verbessern kann. Darüber hinaus wurde auf die Problematik von Twitter auf der Hauptversammlung hingewiesen. Das spannendste Feld stellt für mich die in einigen Jahren eventuell zu erwartende rechtliche Verpflichtung zum Monitoring (Internetmonitoring/Social Media Monitoring) dar. Fortschrittliche Unternehmen warten sicherlich nicht auf rechtliche Auflagen, sondern setzen bereits heute automatisierte oder halb automatisierte Monitoring verfahren ein.

 

Kleiner Disclaimer: Ich hoffe, es versteht sich von selbst, dass ich kein Experte in Wirtschaftsrecht bin und dieser Beitrag keine verbindlichen Handlungsempfehlungen enthält. Ich interpretiere die Gesetze lediglich nach meinen Möglichkeiten und möchte darüber gerne einen Dialog mit Experten eröffnen. Sollte ich falsch liegen, lasse ich mich gerne berichtigen ;)


Geschrieben von Andreas Köster am 24. März 2011 | Abgelegt unter Investor Relations,Online Investor Relations,Rechtliche Vorschriften,Risiken | 2 Kommentare

Märkte sind Gespräche – auch in den Investor Relations

„Ein kraftvolles globales Gespräch hat begonnen. Über das Internet entdecken und gestalten die Menschen neue Wege, um relevantes Wissen mit rasender Geschwindigkeit auszutauschen. Als direktes Resultat werden die Märkte intelligenter — und sie werden schneller intelligent als die meisten Unternehmen.“

Es ist wirklich erstaunlich, dass diese Zeilen und die gesamten 95 Thesen des Cluetrain-Manifestes (englisch) (deutsch) bereits  vor zwölf Jahren verfasst wurden (zu Zeiten des „Jahrzweitausend-Problems“). Das „cluetrain manifesto“ ist der Titel einer sehr weitsichtigen Sammlung von Thesen über das Verhältnis von Unternehmen und ihren Kunden im Zeitalter des Internets und der New Economy. Sie wurde 1999 (zu Hochzeiten des Dotcom-Booms) von den US-Amerikanern Rick Levine, Christopher Locke, Doc Searls und David Weinberger veröffentlicht und ist heute ein Meilenstein der Internetgeschichte. Dass es später einmal wirklich so kommen würde wie im Cluetrain-Manifest proklamiert, ahnte damals, als es den Begriff Social Media noch gar nicht gab, kaum jemand. Heute reden alle von Social Media und die allermeisten Thesen treffen immer noch zu.

Das Cluetrain-Manifest - www.online-investorrelations.de

Das Cluetrain-Manifest über die Investor Relations
Zu Recht wird das Cluetrain-Manifest auch in heutigen Texten und Büchern über Internet und Social Media noch zitiert. Wahrscheinlich findet es auch in meiner Arbeit seinen Platz in den Fußnoten, da die Investor Relations in mehr als nur der ersten These („Märkte sind Gespräche“) adressiert werden:

64: Wir möchten Einblick haben in eure Unternehmensinformationen, in eure Pläne und Strategien, eure besten Gedanken und euer echtes Wissen. Mit der Vier-Farb-Broschüre und einem hochglanz Internet-Auftritt ohne jegliche Substanz geben wir uns nicht zufrieden.

68: Der aufgeblasene, wichtigtuerische Jargon, den ihr verbreitet — in der Presse, auf euren Konferenzen — was hat der mit uns zu tun?

69: Vielleicht könnt ihr damit eure Investoren beeindrucken. Vielleicht beeindruckt ihr die Wallstreet. Uns beeindruckt ihr jedenfalls nicht damit.

70: Wenn ihr uns nicht beeindruckt, werden eure Investoren baden gehen. Verstehen die das nicht? Wenn sie es verstünden, würden sie euch nicht so reden lassen.

71: Eure gelangweilten Abhandlungen über den “Markt” nerven uns. Wir erkennen uns in euren Projektionen nicht wieder — vielleicht weil wir wissen, daß wir bereits ganz wo anders sind.

72: Wir mögen diesen neuen Marktplatz viel mehr. In Wahrheit erschaffen wir ihn.

83: Wir möchten, dass ihr uns 50 Millionen genauso ernst nehmt wie einen Reporter vom Wall Street Journal.

Radikale Idee des Internets
Nun möchte ich natürlich nicht jeden Investor Relations Manager abqualifizieren, der gerade eine Vier-Farb-Broschüre zum Unternehmen in Auftrag gegeben hat (die wird es sicherlich auch weiterhin geben). Ich finde die 95 Thesen vielmehr geeignet, um ein Extrakt der radikalen Idee des Internet aufzuzeigen, die damals geboren wurde und die heute unter anderem durch Social Media bereits zu großen Teilen Realität geworden ist. Kernfragen von Märkten, Gesprächen und Beziehungen geht das Cluetrain-Manifest streitbar an und zeigt mit mehreren Thesen direkt auf die Gespräche zwischen Unternehmen und Investoren. Für mein Verständnis gehört das Cluetrain-Manifest daher zur Grundbildung im Bereich Online Investor Relations.

 

Übrigens: Wie damals über das revolutionäre Manifest gedacht wurde, gibt sehr schön der brand eins Artikel „Miteinander Reden“ der Ausgabe 03/2000 wieder.

 

Geschrieben von Andreas Köster am 21. März 2011 | Abgelegt unter Quellen | Keine Kommentare

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