Erfolgsmessung von Social Media mittels DPRG/ICV-Bezugsrahmen
Social Media – für viele alt eingesessene Kommunikationsverantwortliche immer noch eine große Unbekannte. Erfolgsmessung – das ungeliebte Stiefkind der Unternehmenskommunikation. Beides zusammen „Erfolgsmessung von Social Media“ lässt wohl die meisten Kommunikationsexperten zusammenzucken. Häufig wird wild mit Begriffen wie KPI (Key Performance Indicator), ROI (Return on Investment) und Wertschöpfung hantiert und schlussendlich kommt insbesondere für die Social-Media-Erfolgsmessung häufig die ernüchternde Erkenntnis: Nichts Genaues weiß man nicht.
Social Media Wirkungsevaluation mit Instrumenten der PR
Wenn ich gefragt werde, wie Unternehmen den Erfolg ihrer Social-Media-Aktivität messen und greifbar machen können, verweise ich auf die Wirkungsstufen Evaluation von PR-Arbeit nach DPRG (Deutsche Public Relations Gesellschaft). Dieses in meinen Augen geniale Modell zur Erfolgsmessung bietet Orientierung auf einer Metaebene. Im Kern handelt es sich bei dem Wirkungsstufen-Bezugsrahmen um ein komplexes Input-/Output-Modell, bei dem die Wirkungsseite in sechs Stufen unterteilt ist: Input, Interner Output, Externer Output, Direkter Outcome, Indirekter Outcome und Outflow. Dabei spielt sich die erste Stufe gänzlich im Unternehmen ab, ist leicht messbar und hat nur geringen Einfluss auf die Wertschöpfung. Die letzte Stufe dagegen stellt die unternehmensexternen Ergebnisse der Kommunikationsprozesse dar, hat den größten Einfluss auf die Wertschöpfung und ist sehr schwer zu erheben. Dieses Modell lässt sich passend auf die Erfolgsmessung von Social-Media-Aktivitäten von Unternehmen adaptieren.
Der DPRG/ICV Bezugsrahmen für Kommunikations-Controlling
Der „DPRG/ICV-Bezugsrahmen für Kommunikations-Controlling“ wurde im Frühjahr 2009 von der Deutschen Public Relations Gesellschaft und dem Internationalen Controller Verein (ICV) als Branchenstandard verabschiedet. Maßgeblich beteiligt waren dabei Lothar Rolke und Ansgar Zerfaß.
6 Wirkungsstufen der Social-Media-Kommunikation
Das Modell lässt sich meiner Meinung nach (mit einigen Einschränkungen) gut auf die Erfolgsmessung von Social Media adaptieren, wie ich im Folgenden skizzieren möchte:
- Input („Welche Aufwendungen werden für die Kommunikation gemacht?“)
Hier geht es um die unternehmensinterne Messung und Dokumentation des Personaleinsatzes und Finanzaufwandes, die in der Regel mit einfachen Mitteln aus der Buchhaltung extrahiert werden können. Typische Messgrößen wären hier beispielsweise Kosten für externe Social-Media-Beratungen, Social-Media-Workshops, Social-Media-Guidelines, Monitoring oder auch kostenpflichtige externe Accounts. Da Social Media in erster Linie Zeit und damit Personalstunden kosten, dürften diese den größten Input-Faktor darstellen. - Interner Output („Was wird vom Unternehmen selbst geleistet?“)
Auch der interne Output spielt sich noch im Unternehmen ab, betrifft die Prozesseffizienz sowie die Qualität und ist ebenfalls relativ einfach zu ermitteln. Die typischen KPI der BWL sind hier die Budgettreue, Durchlaufzeit und Fehlerquote. Hier wäre beispielsweise zu ermitteln, ob die Zeitkontingente für die Betreuung der Social-Media-Kanäle eingehalten wurden oder ob sie durch unvorhersehbare Ereignisse (z. B. ein viraler Supercoup oder aber ein heftiger Shitstorm) überschritten wurden. Durchlaufzeiten könnten die Verbreitung von klassischen Pressemitteilungen oder Social-Media-Releases (SMR) über sämtliche genutzten Kanäle oder aber Antwortzeiten auf Userkommentare sein. Simple Produktionsleistungen dieser Output-Stufe sind darüber hinaus die Anzahl von veröffentlichten Blogartikeln, Tweets und sonstigen Posts im Social Web. - Externer Output („Welche Kontaktangebote werden geschaffen?“)
Bei der Messung der Reichweite und der Inhalte können die Social Media ihre Stärken voll ausspielen. Das Messobjekt der Medien und Kanäle ist bei keinem anderen Medium so umfangreich und zugleich einfach zu erheben wie im Social Web. Kostenlose Webanalysetools wie Piwik oder GoogleAnalytics bieten bei einem Blog sehr tiefgehende Informationen zu Besuchern, Visits, Downloads, Verhalten der Nutzer, Suchverhalten der Nutzer, Ort, Sprache, Betriebssystem und vielem mehr. Auch externe Social-Media-Accounts bieten beispielsweise mit Statistiken zu Visits, Shares, Downloads und Embeds kostenlose und exportierbare Daten im Überfluss. Um den Share-of-Voice im Konkurrenzvergleich sicher bestimmen zu können, ist ein professionelles Social-Media-Monitoring notwendig. - Direkter Outcome („Inwiefern werden Wahrnehmung und Wissen gesteigert?“)
Auch auf dieser Stufe, in der Wahrnehmung, Nutzung und Wissen der Rezipienten gemessen wird, sind die Social Media gut zu evaluieren. Die interaktiven Feedback- und Partizipationsmöglichkeiten sind den Social Media inhärent. User im Social Web nehmen Informationen wahr und können beispielsweise mit einem einzigen Klick auf „gefällt mir“ bzw. „+1“ zeigen, dass sie den Beitrag gelesen/aufgenommen haben und für gut befinden. Die Verweildauer, Leser pro Ausgabe und viele soziodemografische Informationen der Bezugsgruppen sind für Unternehmen transparent. Beispielsweise bereitet FacebookInsights sämtliche aktive Nutzer, deren genaue Interaktionen, ihr Geschlecht, Alter und Sprache übersichtlich auf. (Eine eigene Facebook-Anwendung schließlich erlaubt den Zugriff auf sämtliche weiteren Daten, bis hin zum genauen Beziehungsstatus und dem Social-Graph – aber das ist ein anderes Thema.) - Indirekter Outcome („Wie stark werden Meinungen /Absichten beeinflusst?“)
Diese Stufe bezieht sich auf die Einflussnahme als das eigentliche Ziel aller Kommunikationsmaßnahmen. Wie bereits gesagt, dokumentieren Nutzer des Social Web geradezu permanent ihr Meinung: In einfacher Form über das Hinzufügen zum eigenen Netzwerk, Retweets, Teilen usw. und in umfangreicherer Form über Kommentare oder eigene Posts. Auch hier kann ein professionelles Social-Media-Monitoring umfassende Reports zu Reputations-Index, Markenimage und anderen denkbaren KPI des Social Web liefern. - Outflow („Welche werthaltigen Zielgrößen können dadurch erhöht werden?“)
Messgrößen sind hier beispielsweise Umsatz, Projektabschlüsse, Kostenreduktion oder Reputations- und Markenwerte. Bei dieser sechsten und letzten Stufe der Wertschöpfung kommen dann auch die Erfolgsmessungsmöglichkeiten der Social Media an ihre Grenzen. Hier wird es philosophisch („Welchen Anteil hat eigentlich die Kommunikation am Unternehmensgewinn?“ und „Wie sehr kann alleine die Kommunikation die Unternehmenswahrnehmung der Stakeholder beeinflussen?“). An dieser Stelle ist und bleibt die Erfolgsmessung kompliziert und aufwendig (Stichwort Regressionsanalyse).
Unternehmensspezifische Modelle der letztendlichen Wertschöpfung notwendig
Unternehmen können ihre Social-Media-Aktivitäten also strukturiert entlang diesem in der PR anerkannten Modell des „DPRG/ICV Bezugsrahmen für Kommunikations-Controlling“ evaluieren. Ihnen kommt dabei zugute, dass sich kein anderer Kommunikationsbereich bis zur Stufe Fünf des indirekten Outcome so gut messen lässt wie die Social Media. Aus diesen umfangreichen Daten und Informationen im Anschluss dann ein unternehmensspezifisches Modell des Return on Investment und des Einflusses auf den monetären Outflow zu entwickeln, kann leider kein allgemeines Modell der Welt leisten. Dies kann nach wie vor nur individuell pro Unternehmen in seiner spezifischen Situation entwickelt werden.
Spannend finde ich, dass die DPRG kürzlich angekündigt hat, ihren Arbeitskreis Digital Relations/Social Media wiederzubeleben. Einige Themen des Arbeitskreises sind: Social Media in der Internen Kommunikation, neue Berufsbilder in Social Media, sowie Evaluation und Wertschöpfung durch Social Media.